Wenn eine Frau in den 1950er Jahren in Deutschland Karriere machen wollte, musste sie sich anpassen – Hildegard Knef tat in vielerlei Hinsicht genau das Gegenteil und hatte trotzdem Erfolg. Regisseurin Luzia Schmid zeichnet in ihrem Dokumentarfilm mithilfe von Archivaufnahmen aus sechs Jahrzehnten, Interviews, O-Tönen und Auszügen aus Knefs autobiografischen Büchern das Porträt einer außergewöhnlich vielseitigen Künstlerin. Eine Frau, die als Schauspielerin, Sängerin und Autorin nicht nur ihre Zeit herausforderte, sondern ihr weit voraus war. Für ihren Mut, sich den Erwartungen der männlich dominierten Nachkriegszeit zu widersetzen, zahlte Hildegard Knef einen hohen Preis. Ihr Leben war geprägt von großen Erfolgen und tiefen Abstürzen – und spielte sich nahezu vollständig vor den Augen der Öffentlichkeit ab. Die Presse feierte sie einerseits mit zahlreichen Homestories, attackierte sie jedoch ebenso oft gnadenlos. Ihre Ehen, Scheidungen, Krankheiten, Finanzkrisen und Schönheitsoperationen wurden genüsslich ausgeschlachtet und waren allgegenwärtiges Thema in den Medien.
Luzia Schmid arbeitet in ihrem Dokumentarfilm präzise die ambivalente Beziehung der Deutschen zu ihrem großen Star heraus. Der Skandal um Hildegard Knefs nur wenige Sekunden langen Nacktauftritt in "Die Sünderin" machte sie zur Zielscheibe konservativer Moralvorstellungen, während ihre direkte, unkonventionelle Art oft als Provokation empfunden wurde. Knef, die sich selbst als maßlos ehrgeizig beschrieb, litt besonders unter der Ablehnung, die ihr als junge Deutsche in den USA der Nachkriegszeit entgegenschlug – und unter der Häme, mit der sie in Deutschland empfangen wurde, als ihre Karriereversuche in Amerika zunächst scheiterten. Als Hildegard Knef nach dem Beginn ihrer Schauspielkarriere eine zweite Laufbahn als Sängerin einschlug, sah sie sich erneut massiven Verurteilungen ausgesetzt. Ihre rauchige, tiefe Stimme war für viele ungewohnt, und manche Kritiker bezeichneten ihren Gesang gar als „Gekrächze“. Während die deutsche Schlagermusik oft leicht und belanglos war, sang Knef Lieder mit literarischen, melancholischen und gesellschaftskritischen Texten. In Frankreich oder den USA wäre sie als Chansonsängerin gefeiert worden, doch in Deutschland erwartete man von Frauen eine gefälligere, weniger kantige Präsenz. Luzia Schmid zeichnet in ihrer Dokumentation ein differenziertes Bild der Künstlerin. Zwischen Hollywood und Berlin blieb Hildegard Knef eine Frau, die nie ganz in eine bestimmte Rolle passte. Die Dokumentation thematisiert auch Knefs Vergangenheit während der NS-Zeit. In den letzten Kriegsjahren war sie als Komparsin und Synchronsprecherin bei der UFA tätig und hatte eine kurze Affäre mit einem NS-Filmboss. Besonders ihre spätere Mitwirkung in "Die Mörder sind unter uns" – dem ersten deutschen Nachkriegsfilm über die Schuldfrage – sorgte für Unmut. Viele nahmen ihr übel, dass jemand mit einer Vergangenheit im NS-Filmsystem an einem Film über die Aufarbeitung der Verbrechen mitwirkte. Dahinter stand auch eine weit verbreitete Abwehrhaltung: Während Knef sich ihrer Geschichte stellte, taten sich viele Deutsche schwer damit, sich mit ihrer eigenen Schuld auseinanderzusetzen.
Ein absoluter Gewinn für den Film sind die Interviewsequenzen mit der Tochter von Hildegard Knef, Christina Palastanga, und mit ihrem dritten Mann, Paul von Schell. Beide schildern mit viel Wärme die liebevollen Seiten der Künstlerin und berichten darüber, wie es war, sich die Mutter und Ehefrau stets mit der Presse teilen zu müssen. Dabei wird aus ihren Erzählungen aber auch klar, dass Hildegard Knef trotz aller Rückschläge eine unermüdliche Kämpferin war, die sich nie den Erwartungen anderer beugte und stets ihre eigene Sichtweise auf die Dinge behielt. Zusammen mit der zeitlosen Musik machen diese Zutaten ICH WILL ALLES, HILDEGARD KNEF zu einem lohnenden Kinoerlebnis nicht nur für die Fans ihrer Musik sondern auch für alle, die sich für die Zeitgeschichte der Nachkriegsjahre interessieren.