Es kann vorkommen, dass Menschen von ihren Haustieren sinnstiftende Nachrichten empfangen möchten. Sei es, weil Lumpi ohne erklärlichen Grund auf einmal nicht mehr fressen will. Oder weil Fiffi seit Tagen im Wald herumstreunt und Frauchen sich Sorgen macht, ob es ihr da draußen gut geht. In Iván Funds Wettbewerbsbeitrag EL MENSAJE (THE MESSAGE) ist ein kleines Mädchen dazu in der Lage, Nachrichten von Tieren zu channeln und sie bei Bedarf an die Besitzer zu übermitteln. Weil sich damit Geld machen lässt, ziehen Myriam und Roger mit ihrem Pflegekind Anika in einem klapprigen Camper durch die argentinische Pampa – von Klient zu Klient.
Realistisches Porträt einer Fantasiewelt
Die drei haben eine klare Arbeitsteilung: Myriam übernimmt das Reden und Erklären sowie gelegentliche Interviews mit Lokalsendern, um das Phänomen „Anika“ zu vermarkten, Roger kümmert sich um das Finanzielle, und die kleine Anika hört einfach den Tieren zu und gibt weiter, was sie von ihnen empfängt. Was zunächst nach einem Film über Scharlatanerie und Kinderarbeit klingt, ist etwas ganz anderes: „Das realistische Porträt einer Fantasiewelt. Oder vielleicht andersherum“, wie der Regisseur sagt.
Im schwarzweiß-Breitwandformat gefilmt, hat EL MENSAJE etwas von einem Western plus Roadmovie. Das Tempo ist langsam, gesprochen wird wenig, vor allem nicht über die erwartbaren Fragen: Existiert die Gabe tatsächlich? In welchem Verhältnis stehen Myriam und Roger zu Anika? Wie geht es dem Kind in diesem untypischen Familienmodell? Der Film vertraut stattdessen ganz auf Bilder, Stimmungen und Musik.
Die spannenden Fragen teilen sich ohne Drama mit
Die spannenden Fragen dieser Geschichte teilen sich ohne Drama, ohne explizite Erklärungen mit. Myriam und Roger gehen sehr liebevoll und fürsorglich mit der kleinen Anika um. Zugleich scheint die beiden Erwachsenen etwas zu bedrücken. Anika ist ganz Kind, fröhlich und stolz, dass ihr die ersten Milchzähne ausfallen, und zugleich scheint sie nach den Unterhaltungen mit den Tieren seltsam erschöpft. Ihre Mutter, das wird ebenfalls kommentarlos gezeigt, lebt in einer Einrichtung für psychisch Kranke. Die Kamera liebt – zu Recht – Nahaufnahmen von Anikas Gesicht: von ihren aufmerksamen, ausdrucksstarken Augen, ihrem leisen Lächeln, wenn sie sich den Tieren vorsichtig nähert. Anika hat rein gar nichts von einer Gruselfim-Gestalt, ihr besondere Gabe fügt sich wie von selbst in ihren kindlichen, wachen und empathischen Blick auf die Welt.
Wenn der Blick der Kamera auf den Tieren ruht, sind das jedes Mal ganz besondere Momente, nicht nur für Tier-Fans. Grummelige Kater, verspielte Hündchen, ein misstrauisches Pferd mit zurückgelegten Ohren: Sie alle haben eine ganz eigene Identität, wenn man schon nicht von Seele sprechen mag. Interessanterweise können sich manche der Nachrichten, die Anika empfängt, durchaus als Spiegelung der eigenen Gefühle oder der ihrer Liebsten lesen lassen: Etwa, wenn ein kleiner Igel seine Geschwister vermisst und sich deshalb einsam fühlt, oder wenn eine Hündin allmählich ihre Fähigkeit zu hören verliert, und sich deshalb als Versagerin fühlt. Diese Geschichte so zu erzählen, dass man die Esoterik getrost draußen vor der Tür stehen lassen kann, ist der eigentliche Kunstgriff des Films. Er eröffnet verschiedene Interpretationsmöglichkeiten, ohne eine davon aufzudrängen.
Der Film hallt lange nach. Auf alle Fälle mag man danach auch mal einem Capybara, eine Art Riesenmeerschweinchen aus Südamerika, Aug in Aug gegenüberstehen. Und „Always on my Mind“, der Wohlfühl-Song von Anika, ist danach unter Garantie ein treuer Begleiter für einige Stunden. Eine weitere Erkenntnis? Liebe innerhalb einer, wie auch immer zusammengesetzten, Familie kann sich auf unterschiedliche Weise äußern – dass sie einfach ist, hat keiner behauptet.