Berlinale 2025: STRICHKA CHASU (Timestamp) von Kateryna Gornostai

Filmstill

© Oleksandr Roshchyn

In der Ukraine bleiben trotz des Krieges die Schulen geöffnet – die Lehrkräfte unterrichten, so gut es geht. Sie geben den Kindern und Jugendlichen Halt und Unterstützung im Kriegsalltag, ein wertvolles Stück Normalität. Nicht zuletzt ist das Weiter-Unterrichten ein Akt des Widerstands: Hier wird mit Herz und Verstand an einer Zukunft für die nächste Generation gearbeitet. Die erfahrene Dokumentarfilmerin Kateryna Gornostai hat für STRICHKA CHASU den Schulalltag zwischen Luftschutzkellern, ausgebombten Schulgebäuden und Online-Unterricht in verschiedenen Städten der Ukraine begleitet, mal hunderte von Kilometern, mal nur 30 Kilometer von der Front entfernt. Es ist ein starker und feinfühliger Film, der harte Zumutungen, grausame Widersprüche und einen starken Lebenswillen zeigt, ohne sich aufzudrängen.

Wir sehen Kinder und Eltern, die sich für den ersten Schultag fein gemacht haben – und mitten in der Zeremonie in den Luftschutzkeller fliehen müssen. Wir sehen Lehrerinnen, die es trotz allem fertigbringen, den Kindern ein Gefühl von Geborgenheit und Freude am Lernen und Leben zu vermitteln. Wir sehen Schulabsolventen, die für ihren Abschlussball eine Paartanz-Choreografie einstudieren und dabei herumalbern, wie es Teenager eben so tun. Diese jungen Leute müssen sich aber fragen, ob sie nach der Schule an die Front gehen werden.

Filmstill

© Oleksandr Roshchyn

Die Regisseurin vermeidet es klug, den Krieg zum Hauptgegenstand ihres Films zu machen. Eher ist es so, dass der Krieg den Schulalltag ohnehin permanent durchdringt. Es gibt Unterricht an der Waffe (den man offenbar auch mit langen Fingernägeln absolvieren kann), Übungen für den Sirenen-Alarm, Grundschüler lernen, was in einen Notfallkoffer gehört, und das Blau-Gelb der ukrainischen Flagge, die ukrainische Sprache und Geschichte nehmen einen großen Raum im Unterricht ein. Ein Land im Kriegszustand, ein Land, das angegriffen und in seiner Existenz bedroht wird, ist notgedrungen ein Land, in dem Patriotismus großgeschrieben wird.

Filmstill

© Oleksandr Roshchyn

Traumatisierungen der Kinder werden nicht ausgeblendet, aber auch nicht plakativ ausgestellt.
Obwohl der Film den Kindern und Erwachsenen sehr nahe kommt, ist eine respektvolle Distanz gewahrt. Es wird nicht vertuscht, dass besonders die kleineren Kinder sehr wohl auf die Kamera reagieren: Immer wieder kommt es vor, dass ein Kind schelmisch in die Kamera lächelt, oder sich, ganz im Gegenteil, scheu davor zurückzieht.

Kateryna Gornostai zeigt vereinzelt auch kritische Aspekte der ukrainischen Gesellschaft – ein mit baltischer Unterstützung halb wiederaufgebautes Schulgebäude etwa, das einfach nicht fertig werden will, weil die Lokalpolitiker und die Baugesellschaft wohl ihr eigenes Süppchen kochen. Der Film kommt in seiner Erzählung ohne Interviews, ohne Footage des Krieges, ohne Erzählerstimme und ohne Reenactments aus. Er bleibt ganz bei sich und zeigt „einfach“, sehr nah dran, den Schulalltag im Kriegsalltag. Was alles andere als einfach zu bewerkstelligen ist.

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Titel

Orignaltitel

Strichka chasu

Englischer Titel

Timestamp

Credits

Regisseur

Kateryna Gornostai

Schauspieler

Olha Bryhynets

Valeriia Hukova

Borys Khovriak

Mykola Kolomiiets

Mykola Shpak

Land

Flagge FrankreichFrankreich

Flagge LuxemburgLuxemburg

Flagge NiederlandeNiederlande

Jahr

2025

Dauer

125 min.

Film-Emoji

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