Paul lebt in Montreal. Er leidet unter Depressionen und sozialen Ängsten. Außerdem ist er übergewichtig und möchte Gewicht verlieren. Auf seinem Instagram-Kanal postet Paul kurze Videos aus seinem Leben. Er berichtet über seine Probleme und seine Pläne, sein Leben zu ändern. Viele seiner Videos zeigen Paul bei einer ungewöhnlichen Beschäftigung: Er putzt die Wohnungen von Frauen und schlüpft bei seinen Putzdiensten in eine submissive Rolle. Paul gewinnt als „Cleaning Simp Paul“ mit seinen Posts viele Follower. Im Lauf von Denis Côtés dokumentarischem Film zeigt sich, dass diese Beziehungen von Paul zu seinen Dommes therapeutische Wirkung haben.
Denis Côté ist mit PAUL ein ungewöhnlicher, intimer Blick auf einen scheuen Menschen gelungen. Einen Menschen, dem Social Media dabei hilft, Kontaktängste zu überwinden, genau die Form von Beziehung zu leben, die er sich wünscht und dem es dabei auch noch gelingt, seine Kreativität auszuleben. Was Betrachter von außen als BDSM-Praktiken sehen, ist für Paul ein sehr differenziertes Geflecht von Beziehungen. Die Beziehungen zu seinen Dommes sind unterschiedlich und sie entwickeln sich weiter. Geld spielt in diesen Beziehungen keine Rolle. Côté und Paul selbst berichten im Q&A nach der Premierenvorstellung über die 7-monatigen Dreharbeiten. Eine erstaunlich kurze Zeit. Ich hatte während des Filmschauens angenommen, dass es sich um einen Zeitraum von ein bis zwei Jahren handelte. Was die Veränderung in Pauls Leben noch bemerkenswerter macht. In der Interaktion wird er immer offener und seine Instagram-Posts werden immer kreativer. In der Q&A sagte er selbst, dass er sich noch vor einigen Monaten einen solchen Auftritt vor Publikum gar nicht habe vorstellen können.
Côté, der in seinem Film an einigen wenigen Stellen über die reine Dokumentation hinausgeht, hat ein Filmportrait gemacht, das dem Portraitierten sehr nahekommt und doch nie seine Privatsphäre verletzt. So kann er einen Menschen zeigen, der sich seinen Problemen stellt, und der sich trotz seiner Hemmungen und Ängste einen Raum schafft, in dem er die Kontrolle behält, obwohl bzw. gerade weil er sie abgibt und der diese Erfahrung zur selbstbewussten Gestaltung seines Lebens nutzt.