Zuerst dachte ich: Haben die ne Macke? Dreieinhalb Stunden Doku über einen Lehrer und seine Klasse? Und dann, die große Überraschung: Man bekommt gar nicht genug von HERR BACHMANN UND SEINE KLASSE: Großartig, wie sich Maria Speths Doku diesem außergewöhnlichen Lehrer und seiner Arbeit mit einer höchst diversen sechsten Klasse im ländlichen Hessen widmet. Man will die Klasse zum Schluss gar nicht gehen lassen – so sehr wachsen einem die jungen Leute und ihr Lehrer mit seiner allgegenwärtigen Strickmütze ans Herz.
Feinfühlig, mit ruhigem und sehr liebevollem Blick auf den Alltag in einer Klasse, in der die meisten Kinder einen nichtdeutschen Familienhintergrund haben. Herr Bachmannn – und auch die zweite Lehrerin, die auftritt – gehen sehr einfühlsam mit diesen besonderen Startbedingungen der Kinder um. Es wird viel diskutiert über Dinge wie Heimat und kulturelle Identität – manchmal direkt, manchmal aber auch indirekt, wenn es zum Beispiel um die Liebe zwischen zwei Männern oder um die eigenen Zukunftswünsche geht.
Die „Gangster aus der letzten Reihe“ genauso wie die kecke kleine Bulgarin mit der tollen Stimme oder die zurückhaltende pummlige Deutschtürkin Kopftuch – sie alle werden in der Doku zu echten, runden Persönlichkeiten. Mit ihren Wünschen und Sehnsüchten, mit ihren Unsicherheiten und Strategien, diese zu überspielen. Kleine Einblicke bekommen wir auch in die Familien der Kinder – wenn Ayman völlig selbstverständlich ganze Nachmittage lang auf seine kleinen Geschwister aufpasst, wenn Stefi für ihren Vater dolmetscht und Ilknur darüber spricht, dass sie regelmäßig für die Familie kocht. Und darüber verstehen wir eine Menge darüber, was es heißt, mit nichtdeutschen Wurzeln in dieser Gesellschaft groß zu werden.
Es ist ein großes Glück, wenn solche Kinder auf einen so unkonventionellen und engagierten Lehrer wie Herrn Bachmann treffen. Der vernachlässigt vielleicht manchmal solche Dinge wie Mathe oder Englisch zugunsten von gemeinsamem Musizieren oder anderen Aktivitäten, die darauf zielen, diesen Kindern ein eigenständiges Selbstwertgefühl zu vermitteln. Aber mit Sicherheit ist er im besten Sinne ein hervorragender Pädagoge im humanistischen Sinn: Denn non scholae, vitae discimus. Und wir, als Zuschauer, lernen mit.
Fotos: © Madonnen Film
Kommentare ( 1 )
Da bleibt mir nur voll zuzustimmen! Zu Recht wurde der Film mit einen Bären ausgezeichnet. Ich bin mir sicher, dass der Film im Juni zu einem Publikumserfolg wird :)
Posted by Andreas | 06.03.21 13:45