Berlinale 2016: 24 WOCHEN (24 WEEKS) von Anne Zohra Berrached

Kein Richtig oder Falsch

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Astrid und Markus sind ein glückliches Paar. Sie ist eine erfolgreiche Kabarettistin, er managt sie. Zusammen mit der neunjährigen Tochter leben die beiden in einem schönen Haus im Grünen. Sie freuen sich sehr auf ihr zweites Kind. Da erfahren sie, dass das Baby mit Down-Syndrom auf die Welt kommen wird. Zunächst stellt sich das Paar dieser Herausforderung mit großem Optimismus - doch dann ergibt eine neurliche Untersuchung, dass das Kind zudem einen gravierenden Herzfehler hat und voraussichtlich eine langwierige und komplizierte medizinische Betreuung brauchen wird. Rechtlich gesehen kann eine solche Schwangerschaft auch noch im späten Stadium, also nach 24 Wochen, unterbrochen werden. Astrid und Markus durchleben einen schmerzhaften Prozess, um zu einer Entscheidung über die Zukunft ihres ungeborenen Kindes zu kommen.

Die junge Regisseurin Anne Zohra Berrached hat sich ein schwieriges Thema für ihren dritten Spiefilm 24 WOCHEN ausgesucht. Wie soll man abwägen, ob man die Kraft aufbringen wird, ein Leben lang für ein schwerbehindertes Kind da zu sein? Wie kann man Verstand und Gefühl, Überforderung und Verantwortung für sich und andere gegeneinander abwägen? Der Schmerz, der sich hinter diesem Thema verbirgt, ist enorm. Bei der Recherche hat Berrached erfahren, dass die meisten Paare, die einmal vor einer solchen Entscheidung standen, nicht mit ihr darüber sprechen wollten. Dennoch hat sie schließlich gemeinsam mit dem Ko-Drehbuchautor Carl Gerber solche Familien gefunden, mit denen sie lange Gespräche führen konnte. Auch mit erfahrenen Ärzten und Hebammen haben die beiden geredet und sich dann entschlossen, die entsprechenden Szenen im Film ausschließlich mit echten Fachleute zu drehen.

Das Auf und Ab dieser wenigen Wochen, in denen vor allem Astrid zu ihrer eigenen Entscheidung kommen muss, wird hier sehr einfühlsam, aber niemals pathetisch nachgezeichnet. Julia Jentsch und Bjarne Mädel überzeugen dabei durch ihre herausragende schauspielerische Leistung. Bjarne Mädel sagte in der Pressekonferenz, dass er sich beim Lesen des Drehbuchs sofort gefragt hat: "Wie spielt man so etwas bloß?". Aber er hat sofort zugesagt - und im Team mit Julia Jentsch und der Regisseurin ist es ihm in der Tat gelungen, diese schwierige Figur, die neben der zentralen Rolle der Mutter keinen leichten Stand hat, sehr feinfühlig und absolut beeindruckend mit all ihren Ecken und Kanten umzusetzen. Auch die Nebenfiguren - Astrids Mutter, die kleine Tochter - sind hervorragend besetzt. Die Zerreißprobe, die diese Entscheidung für die Hauptfiguren sowohl individuell als auch als Paar bedeutet, wird in jeder Szene greifbar. Und es war eine gute Entscheidung, die Ärzte und die Hebamme mit Laien zu besetzen - keine Schaupielerleistung hätte ausgleichen können, was diese Menschen an Erfahrung in ihre "Rolle" mit eingebracht haben.

Die letzten 20 Minuten sind indes eine wirkliche Herausforderung für das Publikum - ohne jemals sensationalistisch zu werden, geht der Film hier an die Grenze des emotional Erträglichen. Aber das ist bei diesem Film nachvollziehbar, es ist gut und richtig so. Dennoch ist man dankbar, dass zum Schluss eine hoffnungsvollere Note angeschlagen wird. "Ihre Entscheidung", so sagt Astrid ganz zum Schluss "ist sicher ein bisschen richtig und ein bisschen falsch gewesen. Und das muss wohl so sein." Ehrlich, beeindruckend und außergewöhnlich gut gespielt: Es ist dem einzigen deutschen Wettbewerbsbeitrag zu wünschen, dass er einen Bären bekommt!

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Titel

Orignaltitel

24 Weeks

Deutscher Titel

24 Wochen

Credits

Regisseur

Anne Zohra Berrached

Schauspieler

Julia Jentsch

Bjarne Mädel

Land

Flagge DeutschlandDeutschland

Jahr

2016

Dauer

102 min.

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