Das Highlight in der Perspektive: METAMORPHOSEN

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Musljumowo mehr als 50 Jahre nach der Katastrophe, Quelle: Berlinale.

Der herausragende Film der diesjährigen Perspektive Deutsches Kino ist ein Dokumentarfilm: METAMORPHOSEN von Sebastian Mez. Mez konfrontiert den Zuschauer mit den Folgen eines Ereignisses, das schon mehr als ein halbes Jahrhundert zurückliegt: Die Explosion in der damals sowjetischen, heute russischen Nuklearfabrik Majak. Am 29. September 1957 explodierte in der Anlage, in der waffenfähiges Plutonium angereichert wurde, ein großer Tank mit stark radioaktiver Flüssigkeit. METAMORPHOSEN beschäftigt sich nicht mit Technik, versucht keine komplizierten Erklärungen. Mez filmt mit großer Ruhe und langen Einstellungen im nahen Dorf Musljumowo. Und er lässt Menschen sprechen. Mit diesem einfachen Rezept gelingt eine inhaltlich und ästhetisch sehr beeindruckende Dokumentation. Weil solche Filme bei der Berlinale viel zu oft übersehen werden, hier gleich die Aufführungsdaten: Der Film hat seine Premiere am Montag, 11. Februar, um 19.30 Uhr im Cinemaxx 3 und wird am Dienstag, 12. Februar, zweimal gezeigt - um 13 Uhr im Colosseum und um 20.30 Uhr im Cinemaxx 1.

METAMORPHOSEN sticht aus einem guten Perspektive-Jahrgang mit vielen handwerklich ansprechenden und thematisch interessanten Filmen hervor. Nur zwei Filme, die eher im essayistisch-experimientellen Bereich angesiedelt sind, fallen stark ab. Ein besonderer Tipp bei den Spielfilmen ist FREIER FALL von Stephan Lacant mit Hanno Koffler, Max Riemelt und Katharina Schüttler in den Hauptrollen. FREIER FALL erzählt eine spannende Beziehungs-Geschichte zweier Polizisten und einer Frau. Ebenfalls überzeugend ist bei den Spielfilmen ENDZEIT von Sebastian Fritzsch. Der Titel gibt hier das Thema vor: Es geht um das Überleben nach der großen Katastrophe. Wer es gerne bizarr mag und mit den Filmen von Quentin Tarrantino etwas anfangen kann, sollte es mit DeAD von Sven Halfar versuchen. Mich hat der Film nicht vollkommen überzeugt, aber er hat viele gute Einfälle und eine ganze Reihe von überraschenden Szenen für die Freundinnen und Freunde brutal-heiterer Geschmacklosigkeiten.

Zwei weitere Filme der Perspektive sind Beispiele für gelungene Dokumentationen: EINZELKÄMPFER von Sandra Kaudelka ist ein Portrait von Spitzensportlern der damaligen DDR. Die Turmspringerin Brita Baldus und die Leichtathleten Udo Beyer, Ines Geipel und Marita Koch bieten sehr unterschiedliche Perspektiven auf den DDR-Leistungssport. Eine sportliche Leistung ganz anderer Art ist der Bauchtanz. Carolin Genreith setzt in DIE MIT DEM BAUCH TANZEN die Bauchtanzgruppe ihrer Mutter ins Bild. Was dabei herauskommt, ist oft überraschend und – ich gebe zu, ich hatte Befürchtungen – nicht peinlich.

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ZWEI MÜTTER ein Kinderwunsch, Quelle: Berlinale.

Einen Mittelweg zwischen Dokumentation und Fiktion gehen die beiden Filme ZWEI MÜTTER von Anne Zohra Berrached und SILVI von Nico Sommer. Besonders gut gelingt das bei ZWEI MÜTTER, die Geschichte über ein lesbisches Paar, das schwanger werden möchte. Die Regisseurin entwickelt ihre Geschichte mit nur zwei Schauspielerinnen: Karina Plachetka und Sabine Wolf. Alle anderen, die Apothekerin, der Anwalt, der Arzt usw. spielen sich selbst. Heraus kommt ein Film, der zeigt, wie kompliziert es sein kann, wenn zwei Frauen sich ein Kind wünschen – und das liegt nicht nur an den in Deutschland, wie könnte es auch anders sein, absurden Vorschriften. SILVI ist ein Spielfilm, der auf realen Erfahrungen beruht. Im Mittelpunkt steht eine Frau, die unverhofft und ungewünscht wieder Single wird.

Seit 2006 habe ich jetzt so ziemlich jeden Film gesehen, der in der Perspektive Deutsches Kino lief. Das Jahr 2013 ist ein erfreuliches. Es zeigt auch, dass die so oft gescholtenen TV-Koproduktionen oder von Filmstiftungen geförderten Projekte keineswegs in der Mehrheit stromlinienförmig sind. Die Absolventinnen und Absolventen der Deutschen Filmhochschulen trauen sich was – nicht immer, aber offensichtlich immer öfter.

Ausführliche Besprechungen der einzelnen Filme sind vor der Premiere nicht möglich und folgen im Laufe der Berlinale.

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