YOUNG ADULT von Jason Reitman

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Dieser Film spielt in Minnesota, also mitten in dem eher gesichtslosen Teil von Amerika mit Malls und Tankstellen und Suburbs. Man hätte ihn genauso auch mitten in Deutschland machen können. Denn die Spezies der Mitt-End Dreißiger, die sich auf verschiedenste Art bemühen ihre Jugend ihre große, prägende Zeit, am Leben zu halten, ist ein kulturübergreifendes Problem. Alles soll möglich sein, bloß nicht das Ankommen.

So ein Charakter ist auch Marvis (Charlize Theron, großartig), die es aus ihrem Provinzkaff in „die City“ geschafft hat (analog in Deutschland nach Berlin oder Hamburg) und dort ein zwar glamourös wirkendes, am Ende aber einsames, ein bisschen tragisches Leben führt. Bis sie beschließt, ihre Highschool Liebe zurückzuerobern. Der wohnt noch immer in ihrem Heimatkaff, ist verheiratet und gerade Vater geworden, aber aus Marvis Sicht begreift er nur nicht ein „Gefangener“ zu sein. Wer tatsächlich gefangen ist in der Vergangenheit stellt sich schnell heraus.

Die nicht Erwachsen-werden wollenden Erwachsenen sind seit Jahren ein beliebtes Berlinale Thema: Ob der beeindruckende Dokumentarfilm WIR SIND SCHON MITTENDRIN oder der grandiose ALLE ANDEREN, die Reisekomödie HOTEL VERY WELCOME oder letztes Jahr Miranda Julys THE FUTURE - diese 30-40 Jährigen kommen mit den unendlichen Möglichkeiten und Versprechen des modernen Lebens nicht zurecht. Deshalb suchen sie immer weiter: Nach der richtigen Beziehung, dem richtigen Job, der richtigen Stadt und dem richtigen Leben - und dabei führen sie dann eines, das lange (irgendwann nicht mehr) gut aussieht und abwechslungsreich, aber nicht glücklich macht, weil die Suche zum Selbstzweck und das Jungbleiben zur Manie geworden ist.

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Die Marvis in Jason Reitmans Tragikkomödie schreibt Bücher für „Young Adults“, also die 16-20 Jährigen mit ihren Problemchen: Bin ich so hübsch wie die anderen, wie werde ich auf die richtigen Party eingeladen, was muss ich tragen, was hören, wie gehöre ich also an der Schule und der Uni zu denen, die cool sind. Man sagt ja, Autoren sollen über das schreiben, was sie kennen. Marvis kennt diese Welt und lebt in ihr auch noch mit 38.
Als ihre Highschool Liebe Vater wird, ist das der Auslöser zurück in ihre Heimatstadt zu fahren, um den ahnungslosen Mann in einem zu Fremdschämen nur so einladenden Eroberungsfeldzug zurückzugewinnen. Buddy, ihre große Liebe. Die das eigentlich nur ist, weil sie sich selbst damals so abgöttisch liebte.

Angekommen in der Heimatstadt trifft sie den kleinen, dicklichen Matt (Patton Oswalt, vielleicht einigen aus King of Queens bekannt) , der in „der großen Zeit“ an der Highschool zwar seinen Schrank neben Marvis hatte, an den sie sich aber überhaupt nicht erinnert, weil er am anderen Ende der „In-Crowd“ und Coolness Skala stand. Er war der Freak, den alle mobbten, der so verprügelt wurde, dass er nun ein lahmes Bein hat - und ihr damit Aufmerksamkeit stahl. Er ist auf den ersten Blick der Freak, der selbst Wiskey brennt, Comicfiguren bastelt und vermutlich noch nie mit einer Frau geschlafen hat. Und doch ist bald klar, dass der wahre Freak Marvis ist - und schon immer irgendwie war.

Dem Film gelingt es uns zwischen Fremdschämen und schallendem Lachen mit treffsicheren Dialogen und filmisch fantastisch grotesken Momenten sowohl zu unterhalten wie traurig zu machen. Denn wer sich umschaut, wird in seiner Umgebung aus Freunden und Bekannten mindestens eine solche Figur kennen wie Marvis. Leute, die damals toll und „in“ waren an der Schule, heute noch immer die gleichen Geschichten erzählen. Leute, die stolz in ihre Heimatstadt zurückkamen an Weihnachten und vom Leben in der weiten Welt erzählen, aber eigentlich seit dem nach einer Heimat suchen.

Wie bei den anderen Filmen von Jason Reitman, JUNO und UP IN THE AIR, erzählen die Bilder genauso viel wie die Dialoge über die Figuren. Der humorvolle, nie zynischer Blick auf diese hübsche, irre Marvis am Rande des Lebenszusammenbruchs gehört bisher zu den unterhaltsamsten und auf subtile Art gegenwärtigen Filmen der Berlinale. Er startet bereits am 23. Februar im Kino in Deutschland.

Kommentare ( 3 )

Klingt sehr gut, da freu ich mich auf den Kinostart!

(Auch wenn die Kritik ein bisschen "smug married" durchscheinen lässt :-))

@barabara: du weisst doch, wie die exraucher sind...

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