20 von 50 - Panorama Programm der Berlinale 2012 steht fast zur Hälfte

Das Panorama teilt sich drei Bereiche: Hauptprogramm, Panorama Special und Panorama Dokumente. Nach der Sichtung von mehreren Tausend (!) Filmen stehen jetzt die ersten 20 fest.
Als Journalist versucht man ja immer aus den vielen, vielen Filmen einzelne Themenschwerpunkte zu destillieren, um das Lesen leichter zu machen und Trends aufzuspüren. Was aber von diesem Programm bekannt ist, geht so weit auseinander thematisch, ist so breit gefächert sowohl inhaltlich, wie geographisch und stilistisch, dass man einfach akzeptieren muss: Hier steht jeder Film für sich. Das hier sind die bis jetzt bekannten:

Da wäre zum Beispiel das Kurzfilmprojekt aus Taiwan bestehend aus 20 Kurzfilmen von ebenso vielen Regisseuren mit dem Namen 10+10. Offiziell läuft es zwar unter dem Namen eines der Regisseure, Hou Hsiao-hsien, aber das Kollektivprojekt macht jetzt schon mit einer kleinen Aktion auf sich aufmerksam. Die Regisseure hoffen allesamt im Februar nach Berlin zu reisen.

Interessant sieht der marokkanische Film DEATH FOR SALE von Faouzi Bensaïdi aus. Drei Kleinkriminelle, die einen Bankraub planen gepaart mit einer Geschichte von der Freundschaft, die an der Liebe des einen zu einer High-End Prostituierten zu zerbrechen droht. Was derzeit der Welt des arabischen Frühlings filmisch kommt, ist vielversprechend.

DOLLHOUSE von Kirsten Sheridan aus Irland erzählt von einer Nacht in der Gruppe von Teenagern, die in ein Reiche-Leute Haus einbrechen. Der Einbruch entwickelt sich in eine chaotische Nacht voller Offenbarungen, die keinen der jungen Leute unberührt zurücklässt.

Juliet Binoche spielt die Hauptrolle in ELLES von Malgoska Szumowska. Es geht um eine Frau, die in einem Modemagazin arbeitet und zwei sehr junge Prostituierte interviewt über ihr Leben und ihre Arbeit. Sie nennen es eher „Sponsoring“, weil die Freier sie gut bezahlen, damit sie sich ihr Studium leisten können. Ein sehr französischer Film scheint es: Mode und Sex und Gesellschaftsfragen.


Ein Thriller aus Thailand über einen Killer, der selbst einen Kopfschuss abbekommt und danach die Welt auf dem Kopf sieht. Er begegnet dann noch einer Frau, die sein Leben im übertragenen Sinn auf den Kopf stellt. Wie in seinem bekannteren Film LAST LIFE IN UNIVERSE geht es also auch in FON TOK KUEN FAH (Headshot) von Pen-Ek Ratanaruang um den Tod und wie man ihm entkommt.

FROM SEOUL TO VARANASI von Kyuhwan Jeon aus Südkorea zeigt viel full frontal nudity, wie die Puristen das nennen und ähnelt in seiner fragmentierten Erzählweise Filmen wie BABEL oder 21 GRAMM. In kaleidoskopartiger Weise erzählt der Film von einem Verleger, der eine Autorin vögelt, filmisch gegengeschnitten mit seiner Frau, die durch Strassen in einer indischen Stadt läuft. Am Ende sind alle in Indien und Terrorismus findet auch noch statt und es muss eine Lösung her.

Aus Vietnam kommt HOT BOY NOI LOAN - CAU CHUYEN VE THANG CUOI, CO GAI DIEM VA CON VIT (Lost In Paradise) von Vu Ngoc Dang und ist damit vermutlich der erste Schwulenfilm aus diesem Land. Im Panorama ist er damit sehr gut aufgehoben, wenn er vom Leben der durch Prostitution und allgemein am Rande stehenden Leute mit allerlei Techniken von humorig bis ernst und grotesk erzählt.

INDIGNADOS von Tony Gatlif ist ein Dokumentarfilm mit fiktionalen Anteilen über so etwas wie die Vorbewegung der Occupy-Bewegung in Spanien. Die „Empörten“ demonstrierten schon früher gegen die Verbändelung von Finanz und Politik und die Folgen für die Masse der Leute. Eine illegale Einwanderin wird Zeugin der Occupy-Bewegung, der Armut anderer Einwanderer und der Unzufriedenheit vieler junger Leute. Der Film eröffnet das Panorama ganz auf der Höhe der Zeit.

Ira Sachs gewann in Sundance und produzierte ihren neuen Film im Crowdfunding. Obwohl Filme mit homosexuellen Hauptfiguren längst im Mainstream angekommen sind, scheint die Finanzierung aber auch in einer Stadt wie New York weiter schwierig. KEEP THE LIGHTS ON handelt von zwei Männern, die sich einst über eine Sextelefonleitung kennenlernten - der eine war verheiratet, beide wurden dann ein Paar. Nach 10 Jahren ist die Beziehung nicht mehr was sie mal war - ein Problem, das nicht nur schwule Männer kennen dürften.

In DIE WAND hat sich der österreichische Drehbuchautor und Regisseur Pölsler einer Romanverfilmung angenommen. In der Hauptrolle Martina Gedeck: Freunde fahren in ein Jagdhaus. Abends gehen die Gastgeber ins Tal und tauchen nicht mehr auf. Als die Frau nach ihnen sucht, entdeckt sie eine unsichtbare Wand, hinter der es offenbar kein Leben mehr gibt. Ein paar Tiere und sie selbst sind die einzig Überlebenden.

KUMA von Umut Dag aus Österreich ist die Geschichte einer türkischen Familie in Wien und zeigt die Konflikte in diesem abgeschotteten Mikrokosmos. Dort lebt eine Frau, die der Zweitfrau ihres Mannes nicht mehr vertraut.

Volker Schlöndorff hat einen neuen Film gemacht: Und das in seinem Lieblingsland Frankreich. Doch das Thema Krieg und Nazizeit scheint die Filmemacher, vor allem dieser Generation, nicht loszulassen: LA MER À L'AUBE (Calm At Sea) handelt von einem Jugendlichen, der sich 1941 der Résistance in Frankreich anschließt.

Das Musical LEAVE IT ON THE FLOOR spielt in der Untergrund-Tanzszene von Los Angeles. Regisseur Sheldon Larry erzählt wie einer der Männer dort eine laute, wilde, extrovertierte neue Familie findet, nachdem er von zu Hause abgehauen ist.

MEI-WEI (My Way) von Kang Je-kyu ist mal ein Zweiter Welt-Kriegsfilm aus einem anderen Land: Zwei Koreaner wollen Marathon laufen und werden dann aber eingezogen, kommen in Gefangenschaft und treffen sich ausgerechnet bei der Invasion in der Normandie wieder.

Und ein Berliner Homosexuellenfilm mit amerikanischer Regisseurin und der Sektonsleiter des Panorama, Wieland Speck, spielt auch mit: MOMMY IS COMING von Cheryl Dunye. Lesbisches Paar lebt in Berlin und dann kommt die Mama zu Besuch. Warum sollte das anders sein, als bei anderen Paaren?

Und nochmal Schwulenkomödie: PARADA (The Parade) von Srdjan Dragojevic aus dem zumindest für diesen Film wiedererstandenen Jugoslawien (Serbien, Kroatien, Slowenien). Ein hetero Sicherheitstyp und ein schwuler Theaterchef werden kurz vor der Gayparade vom Schicksal aneinander gekettet.

THE WOMAN WHO BRUSHED OFF HER TEARS von Teona Strugar Mitevska zeigt zwei sehr unterschiedlichen Frauen aus zwei Kulturen, Frankreich und Mazedonien. Beide einen die ähnlichen Probleme und sie versuchen sich gegen die ihnen zugewiesene Rolle zu wehren, um ihre Familie zu retten.

Ein Dokumentarfilm ist XINGU von Cao Hamburger. Er wurde schon sehr prominent und vor Ort auf dem Amazonas Filmfestival gezeigt und berichtet von den Villas-Bôas-Brüder – auf deren Initiative die Gründung des Xingu-Nationalparks in Brasilien 1961 zurückgeht, der die indigenen Völker der Region erhalten sollte.

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