Berlinale Tipps: Schlaf und Müdigkeiten

Müdigkeit ist eine Frage des Willens und des Charakters. Der Wille zur Müdigkeit. Denn auf der Berlinale müde zu sein, ist nicht erlaubt, geradezu unprofessionell, was für Heulsusen, die der Bilderflut, Mangelernährung, dem Gerenne und Gerede, den Partys und dem Schlafentzug nichts mehr entgegenzusetzen haben. Hirn und Körper dimmen sich runter wie das Licht in den Kinosälen und dann schnarcht es im Dunkeln von links und rechts. Was die werten Kollegen aber nicht abhält, anschließend über den Film zu berichten oder heftige Debatten über seinen Spannungsbogen zu führen. Kinoschlaf gilt nicht als Schlaf, sondern als tranceartige, alle Sinne auf Aufnahme geschaltete Kritikerhaltung, um Bilder und Töne bis in die tiefsten Tiefen des „Selbst“ vordringen zu lassen. Um wirklich zu verstehen.

Es kommt daher zu einer Art Immunreaktion: An ungeahnter, überraschender Stelle kochen plötzlich Wut und Frust hoch, die nicht durch den gerade zu besprechenden, langweiligen Film ausgelöst wird, sondern weil im schlafentzogenen Geist irgendwann ein Überdruckventil anspringt.
Dann entstehen die besten und ungerechtesten Verrisse, die alljährlichen Schmähungen gegen einen mittelmäßigen Wettbewerb, der einen nicht wachhalten kann.

Kommentare ( 2 )

Die tiefsten Tiefen des Selbst? Esoterik im Kinosessel!

sehr schöne beschreibung des alljährlichen zombie phänomens

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