Berlinale Countdown 2011: Ingmar & Orson - zwei Giganten zwei Welten

Bergman gegen Welles: 60 zu 10

Beide geboren mitten im oder am Ende des 1. Weltkriegs. Beide schrieben Filmgeschichte im 20. Jahrhundert, waren dabei tief verwurzelt im Theater, inszenierten in den 40ern Shakespeare, waren sich später aber nicht zu schade, für das Fernsehen zu arbeiten. Beide sind Autorenfilmer par exellence - der eine, Ingmar, aus dem staatlich geförderten Film-Kleinstland Schweden, gilt als der Grübler des europäischen Kinos, der andere, Orson aus dem Mutterland des Films und des knallharten Wettbewerbs, den USA, gilt als Erneuerer und Wunderkind. Und: Sie mochten die Filme des jeweils anderen überhaupt nicht.

Bergman über Welles: „Ein total überschätzter Filmemacher, ein Betrug, total leer. CITIZEN KANE, DER GLANZ DES HAUSES AMBERSON, total langweilig!“ Welles über Bergman: „Es gibt eine ganze Anzahl Bergman oder Antonioni Filme, da wäre ich lieber tot, als die bis zum Ende anzuschauen.“

Die Gründe für diese Abneigung sind vermutlich in der filmischen Philosophie zu finden: Wo Bergman streng, spröde und handlungsarm und kammerspielartig erzählt, inszeniert die Rampensau Welles dramatisch, opulent, technisch innovativ mit Bildern und Symbolen vollgestopfte Filme und spielt selbst gern die Hauptrollen.

Der Verlauf ihrer Karrieren ist ebenfalls sehr unterschiedlich: Nach Jahren als Theaterschauspieler drehte Welles seinen Film, der für viele noch immer zu den besten überhaupt gehört: CITIZEN KANE (1940). Mit 25 Jahren lieferte Welles also sein Meisterwerk ab - zu einem Zeitpunkt, an dem junge Bergman seinen ersten Film noch nichtmal gedreht hatte.
Erst zehn Jahre später, als Welles schon als verbrannt und verbannt galt und nach Europa ausgewandert war, begriff man Bergman in Schweden als legitimen Nachfolger der Stummfilmlegenden Stiller und Sjoström. 1956 wurde Bergmans Film DAS LÄCHELN EINER SOMMERNACHT in Cannes ausgezeichnet. Nur ein Jahr, bevor das letzte Meisterwerk von Orson Welles, leider in einer vom Studio total verhunzten Version, ins Kino kam: IM ZEICHEN DES BÖSEN (1957). Die Karrieren der beiden funktionierten wie kommunizierende Röhren.

Während Bergman annähernd 60 Filme schuf, bracht es Orson nur auf ganze zehn zwischen 1940 und 1977. Dazwischen verdingte er sich widerwillig als Schauspieler, um seine Projekte zu finanzieren, während Bergman filmte und filmte.
Welles wird heute für drei oder vier Filme und seinen Kurzauftritt bei DER DRITTE MANN (1949) erinnert. Bergman hat ein geradezu einschüchterndes Werk hinterlassen. Orsons Filme sind toll - eigentlich alle. Ingmars Filme spalten: die einen finden sie kalt und langweilig, die anderen einmalig. Zwei Giganten, zwei Welten.

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