Berlinale Countdown 2011: "Wilde Erdbeeren" von Ingmar Bergman

Irgendwann mit 15 oder 16 erwachte mein Interesse am europäischen Autorenkino. Ich war überwältigt von Angelopoulos »Reise nach Kythera« und »Der Bienenzüchter«. Wim Wenders »Himmel über Berlin« machte mich sprachlos. Dann wurde ein Meisterwerk des größten Regisseurs aller Zeiten angekündigt. Die Neugier war groß. Von Ingmar Bergman hatte ich bis dahin nicht viel gehört. »Wilde Erdbeeren« versprach vom Titel her ein erotisches Sujet, dem man gerade in diesem Alter nicht abgeneigt ist.

Ich kann mich nicht mehr an viel erinnern. Ich weiß nur, dass der Film mich unendlich gelangweilt und enttäuscht hat. Ich sehe noch ein Schwarz-Weiß-Bild vor mir, wie ein alter Mann in einem ebenfalls alten Auto mit einer jungen Frau über eine schattige Landstraße fährt. Sie unterhalten sich, über was, weiß ich nicht mehr.

Einige Jahrzehnte später nähere ich mich erneut Bergmans Werk, zunächst über das Drehbuch. Es ist brillant. Eine Geschichte über das Leben, die Schuld, die Prägung durch das Elternhaus, die Unmöglichkeit und Möglichkeit der Liebe, die Vergebung... Auch beim Schauen des Films bestätigt sich mein Eindruck.

War meine Einschätzung als Jugendlicher also falsch? Verdiene ich das Prädikat "besonders blind", weil ich »Wilde Erdbeeren« als langweiligen Schinken abtat? Ich glaube, dass beide Sichtweisen ihr Recht haben. Die doppelte Filmerfahrung zeigt einfach, wie sehr die Beurteilung von Kunst vom Erfahrungshintergrund des Betrachters abhängt.

Einen Regisseur als den besten Regisseur aller Zeiten zu bezeichnen, scheint mir daher absurd, objektive Filmbewertung eine große Illusion. Die Lehre für mich ist vielmehr, beim Lesen von Filmkritiken zukünftig stärker auf das Alter des Filmkritikers zu achten.

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