"Unmistaken Child" von Nati Baratz

Ok, stellen wir uns vor, eines Tages steht ein Betbruder, sagen wir von den Franziskanern, vor eurer Tür. Ihr seid untypische Deutsche und lasst den fremden Mann in seiner Kutte in Eure Wohnung, obwohl er komische Fragen stellt: wie ist der erste Buchstabe des Namens des Vaters, kann Euer Kind was besonderes? Der Mönch spielt mit dem Kind, zeigt im eine Kette und fragt, „Gehört das dir?“

Euer Sohn ist ein aufgewecktes Bürschchen, gut gelaunt und gelassen, hat einen durchdringenden Blick und gießt von sich aus mit großer Freude jeden Morgen einen Baum im Vorgarten. Und er findet die Kette, die der Mönch vor ihm schwenkt, so schön, dass er sie nicht wieder hergeben will.
Und ein halbes Jahr später sitzt euer Sohnemann mit rasiertem Schädel und in einer Minikutte vor dem Papst, 1000ende von Leuten verbeugen sich vor ihm, bringen 1000ende Geschenke, der Papst hat ihm einen neuen Namen gegeben, dann verabschiedet ihr euch von eurem Sohn, der den Rest seines Lebens in Rom mit der Ausbildung und Beten verbringen wird. Ihr seht ihn nur noch ein Mal im Jahr. Aber alle sind glücklich. So ging es dem 3-jährigen tibetischen Kind Tenzin Gyatso.

Es geht in Unmistaken Child um die Suche eines jungen Mönchs nach der Reinkarnation seines tibetischen Lama, einem der höchsten spirituellen Führer in der buddhistischen Religion Tibets - so ähnlich wie ein Kardinal in der katholischen Kirche. Der alte Lama, ein weiser, respektierter Lehrer und Denker ist mit 84 gestorben. Zwei Jahre darauf macht sich sein engster Vertrauter, ein junger, einfacher Mönch im Auftrag aller tibetischen Führer und des Dalai Lama auf die Suche. Und er hat eine Heidenangst. Ihm wurde sein ganzes Leben immer gesagt, was er machen soll und nun wird er mir der wichtigsten Aufgabe seines und vieler anderer Leben beauftragt: seinen verstorbenen Meister in einem Kind wieder finden. Wir sehen ihn zweifeln und hadern und zunächst zögerlich, aber später immer beherzter durch die Bergregionen von Nepal und Indien reisen auf der Suche nach diesem einen Kind.

Wie mutig dieser Film ist! Von beiden Seiten: der Filmemacher wußte nie, was passieren würde, und der Mönch wie die ganze buddistischen Führer gewähren einen Einblick in die innersten Rituale ihres Glaubens: die Seele eines Reinkarnierten Lama wiederfinden.

Die ganze Entscheidung, wo auf der Welt anfangen mit der Suche, erinnerte in manchem an Next Uri Geller - Perlen in der Asche des Toten, Kaffeesatzlesen in der Asche - ein Fußabdruck Richtung Osten, ein taiwanesischer Astrologe liefert Anfangsbuchstaben von des Vaters Namen und ein Tal. Dann als er gefunden ist, muss der kleine Junge als Test vor den anderen Meistern mehrere Gegenstände erkennen, die ihm in seinem vorherigen Leben gehört haben - und erkennt sie alle. Tenzin Zopa, der junge Mönch, der den Lama findet, ist ein durch und durch sympathischer, fröhlicher, herzlicher Mensch, dem man in der Sekunde, wo er das Kind trifft ansieht, dass er weiß, wen er vor sich hat: seinen Meister. Und wir glauben es auch irgendwie.

Unmistaken Child ist eine echte Offenbarung dieses Festivals. Ein Einblick in eine fremde und dabei glasklar geregelte Welt von Glauben und Freude in zum Teil bitterster Armut. Der Film bewegt, wirft zahllose Fragen nach unserer Vorstellung vom richtigen Leben auf, nach dem Sinn allen Suchens uns Wollens, rührt zu Tränen, lässt einen genau so oft laut auflachen, dann wieder staunen. Er entließ mich schließlich mit einem eigenartig leichten Gefühl in Kopf und Bauch. Ich hatte den Eindruck an etwas - Achtung! - Wahrem teilgehabt zu haben. Wahrheit - was soll das sein? Wahr ist, was man glaubt...blablabla. Aber dieser Film und seine Figuren sind auf eine Weise wahr, die sich allen philosophischen, religiösen oder ideologischen, kognitiven, filmkritischen Fragen entzieht. "Unmistaken Child" ist ein erhellendes kleine Roadmovie mit im wahrsten Sinne des Wortes schönen, guten Menschen. Die Suche nach dem Richtigen - ob Mensch, Lama, Sinn oder der Liebe- sie läuft egal welche Hilfsmittel man nimmt, im Kern ab, wie man es hier im Film erlebt.

Ich werde jetzt nicht zum Budhisten, sicher nicht, aber wie der Filmemacher nach dem Film so schlau und zugleich Zen-artig unverständlich sagte: Glauben oder Nicht-Glauben, das ist nicht die Frage - denn beides ist dasselbe. Und das ist es auch, wenn man den Film gesehen hat.

Kommentare ( 3 )

Hallo,

danke für diese wunderbare Beshreibung dieses Films. Genau so habe ich ihn auch erlebt. Ich war auf der Berlinale und habe den Regisseur und den Mönch nach der Vorführung live erlebt.
Dieser Mönch hat mich fasziniert. Beeindruckend die Weltoffenheit der heutigen Mönche. Der Junge ist jetzt 6 Jahre und lernt Englisch, Mathematik und einiges mehr.
Ich hoffe in Zukunft so ab und an etwas über ihn zu erfahren.


gruß
Katharina

Hi, wo kann ich den film kaufen?

miss those documented as a German dvd.
that would be a real highlight.
we hope it comes...greetings

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Titel

Orignaltitel

Unmistaken Child

Deutscher Titel

Das auserwählte Kind

Credits

Regisseur

Nati Baratz

Land

Flagge IsraelIsrael

Jahr

2008

Dauer

102 min.

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