"Letters to the President" von Petr Lom

Briefe an den Weihnachtsmann

Es war klar: es geht um Iran und da schlagen die Emotionen hoch. Meist aus Uninformiertheit, oft aus Ignoranz, fast immer dogmatisch. Dem Filmemacher wird der total unlogisch Doppelvorwurf gemacht: 1. DASS er den Film gemacht hat und 2. regten sich Leute auf, dass er NICHT gezeigt hat, was sie sehen wollten. Was wir alle aber doch wissen: die Menschenrechtsverletzungen, die Verfolgung von Homosexuellen, Intellektuellen, von Opposition und kritischen Geistlichen. Sie kritisieren die Todesstrafe und die Zensur. Diese Leute meinen es ja gut. Aber bekanntermaßen ist das Gegenteil von „gut“ sehr oft „gut gemeint“. Sie kritisieren richtige Dinge, nur ging es in diesem Film um etwas anderes. Und hätten sie zugeschaut, hätten die Aktivisten etwas lernen können.

Aber wie in der Diskussion nachher zu sehen war, beantworten diese Leute ihre Fragen lieber gleich selbst und wollen weiter das glauben dürfen, und nur das, was sie eben glauben wollen. Auch wenn der Film dann ganz anders ist, als sie erwartet haben. Als sie dann das Mikro in die Hand bekamen, gaben sie es nicht mehr her und laberten auch danach die ganze Zeit weiter. Das ist dann Dialog der Selbstgerechten.
Aber wie mir die Leiterin der Aktion sagte, wollen sie ja auch jeden Dialog mit dem Iran abbrechen. Sie merken dabei gar nicht, dass sie lupenreine George W. Bush Politik vertreten. Böse-Gut Dualismus, und die andern kriegen Bomben, aber geredet wird nicht. Wie man dann für die Leute, die leiden im Iran, etwas tun will, konnten sie natürlich nicht erklären. Keiner von den deutschen Aktivisten, mit denen ich sprach, ist je im Iran gewesen und daher überrascht es nicht, dass sie kritisieren, was dieser Film nicht zeigt und sich dabei einzig und allein an Klischees (Amerikafahnen Verbrenner, Folterer und Frauenunterdrücker) halten. So als wäre die DDR nur die Mauer und die Grenztruppen gewesen oder die Amerikaner alle ungebildet und fett.

Es ist immer nur das gleiche, was wir lesen und doch alle längst wissen: Ahmadinejad ist Antisemit, er will die Bombe, die Frauen werden unter die Knute gezwungen und wer den Mund aufmacht, wird gefoltert und eingeknastet. Das passiert natürlich. Dieser Film zeigt jedoch die reichhaltige und gesellschaftliche Vielfalt dieses Landes, die Diskussionsfreude, die Wachheit und Infomiertheit, die kritische Haltung und die Fähigkeit mit den leisen Tönen in eine Kamera zu sagen, was wirklich los ist. Und der Film zeigt vor allem die bittere Armut, die großen Probleme der Leute auf dem Land, die vielen vielen gebrochenen Versprechen des Präsidenten bei allem Populismusgetue. Und der Präsident enttarnt sich selbst mit seinen Lügen und seinen Verweisen auf Märtyrer und den Koran, wenn ihm jemand eine konkrete Frage stellt. Einem Junge mit Krebs sagt er allen ernstes, "Junge Leute sind kräftig, die werden immer wieder gesund." Wenn jemand wissen will, warum er keinen Kredit bekommt, warum die Rente so niedrig und die Inflation so hoch ist, wie er dem Hunger und der Armut begegnen will, dann kommt nichts, aber auch gar nichts. Nur wolkigen Reden und Versprechungen. Wie von den blasierten Offiziellen, denen der Regisseur bei der Arbeit zuschaut: nur Politsprech oder Vertröstungen oder sie werden abgewimmelt. Wie es eben jede Verwaltung dieser Welt mit lästigen konkreten Fragen macht.

Das alles hätten die Demonstranten sehen können, aber sie versteiften sich darauf, dass der Film ja nur gemacht werden konnte, indem der Regisseur die Erlaubnis des Regimes erhielt und z.T. Sogar seine Bänder kontrolliert wurden. Dabei ist aber immer noch ein beeindruckender Film herausgekommen, der vor allem die Zweiteilung des Iran zeigt, die Armen auf dem Land und auch im Süden Teherans, die Ahmadinejad als einen von ihnen, als ein Mann ohne Turban und nicht korrupt gewählt haben und ihm immer noch vertrauen. Die immer noch hoffen, er könne ihnen helfen und daher fleißig 10 Millionen Briefe geschrieben haben, in der Hoffnung Gehör zu finden. Und doch kannten alle nur jemanden, der jemanden kannte, dem mal geholfen wurde. Haben sie gehört. Sie haben meist nicht mehr als ihren Glauben, weil es ihnen so schlecht geht. Die stärkste Szenen sind dann auch zwei Frauen, die stundenlang auf eine Audienz warten, und sich über ihr Unglück unterhalten. Nur um am Ende den Präsidenten doch nicht zu sehen zu bekommen. Oder der Wandmaler, der aussieht wie der junge Marlon Brando und zwischen Optimismus und Verzweiflung wankt. Und doch: ihnen erscheint der Präsident als ein Mann aus dem Volk, der sich (irgendwann) ihren Problemen annimmt. Aber selbst in seiner Wählerschaft sieht man bereits die leisen Zweifel.
Auf der anderen Seite zeigt der Film die gebildeten Städter, die wohlhabenderen Schichten und die jungen Leute vor allem aus dem Norden Teherans, die offen das Regime kritisieren, die sich die Nase operieren lassen, sich schminken, sich nicht an all die bescheuerten Kleidervorschriften halten, die genau wissen, was im Rest der Welt los ist und die danach dürsten in dem Land eine Chance zu bekommen, das wirtschaftlich und sozial am Boden liegt, genau im 30. Jubiläum der Revolution.

Ein gelungener Film des ehemaligen Philosophieprofessors Petr Lom, der sein Ziel erreicht hat, ein differenzierteres Bild vom Iran zu liefern. Eines, das nicht nur die von den Demonstranten geforderten, längst bekannten Vorwürfe wiederkäut, sondern die Teilung der Gesellschaft, die dramatische wirtschaftliche Lage sehr vieler einfacher Leute und die gefährliche Vermischung von Religion und Nationalismus zeigt.

Den absurden Vorwurf, der Film liefere Ahmadinejad eine Bühne, seinen Schwachsinn unter die Leute zu bringen, kann jeder, der den Film gesehen hat, wieder einpacken. Man sieht einen Populisten, der viel verspricht, bisher sehr wenig gehalten hat, und es ist nur eine Frage der Zeit, bis das auch seine Wähler erkennen. Wenn sie sich nicht vom geschickten Propagandafeuer um die Atomkraft von den eigentlichen Problemen des Landes und der Mißwirtschaft dieses Mannes (und seiner Vorgänger leider auch) ablenken lassen.
Oder eben weiter auf dem Mahdi warten, etwas das die Schiiten schon einige hundert Jahre tun. Das wäre schade, für ein Land mit so vielen jungen Menschen, das solch einen Bildungstand und sowohl Rohstoff wie Wissensreichtum sein eigen nennt.

Kommentare ( 2 )

gute kritik, und wie es sich anhört ein guter film. über ahmedinedschads popularität im iran, auf dem lande, weiß man hier zu lande nichts - die hat nämlich nichts mit dem holocaust oder palästina zu tun (das interressiert im iran eh fast niemand), sondern mit seinen heilsversprechen und seiner selbstinszenierung als kleiner mann. darin ist er gut, allerdings hat seine regierung das land so runtergewirtschaftet, dass es bei den nächsten wahlen eng wird. die deutscehn und exiliranischen "aktivisten", die du ansprichst meinen es übrigens nciht unbedingt nur gut: sie sind vom hass aufs "mullahregime" getrieben, und dazu zählt alles und jeder der im iran lebt. sie wollen eine isolierung des landes um jeden preis, glauben wie george bush an regimechange, wenn man die iranerinnen und iraner isoliert. wollen ihnen jede kultur, jeden film, jeden kontakt in den westen nehmen, weil das ja angeblich alles dem regime hilft; wenn die demonstranten und spinner wie hendyk m. broder damit erfolg hätten wäre bald jedes intellektuelle kapital im iran verspielt und die lage der menschenrechte usw. noch finsterer als heute - und das atomprojekt erst recht nciht verlangsamt. gut ist hier als nicht "gut gemeint" sondern schlecht.

du hättest gekotzt bei der diskussion mit diesen leuten vor und nach dem Film. Und die verrückte, unmögliche Diskussion: sie kritisieren, wenn ein Film NICHT zensiert wird, dann kann der ja nur der Regierung dienen, und wird er zensiert und trotzdem gezeigt, ist er nichts mehr wert. Die eine obertussi von denen wusst noch nicht mal, dass man im iran alle, wirklich alle filme auf dvd kaufen kann - auch die verbotenen.
bei soviel ignoranz gemischt mit soviel selbstgerechtigkeit wundert mich nicht, dass die typen sich in einer allianz mit der alten US Regierung befinden.

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Titel

Orignaltitel

Letters to the President

Credits

Regisseur

Petr Lom

Land

Flagge Islamische Republik IranIslamische Republik Iran

Flagge KanadaKanada

Jahr

2009

Dauer

74 min.

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