"Aruitemo, aruitemo" ("Still Walking") von Kore-Eda Hirokazu

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Schon in der U-Bahn auf dem Weg zu seinen Eltern bekommt Ryota (Hiroshi Abe) schlechte Laune. Nur widerwillig reist er zusammen mit seiner Frau und deren Sohn aus erster Ehe zu dem Familientreffen. Anlass ist wie jedes Jahr der Todestag des Bruders, der bei dem Versuch jemand anderes zu retten ums Leben kam. Gegen den verklärten Glanz des toten Bruders, der der Stammhalter der Familie war, kann Ryota nicht anhalten. Er ist "nur" Bildrestaurator, hat eine Witwe geheiratet und keine eigenen Kinder. Dass er arbeitslos ist, traut er sich seinen Eltern erst gar nicht zu sagen.

Ryotas Schwester, die ebenfalls mir ihrer Familie angereist ist, hat dagegen zu den Eltern ein unbekümmertes und pragmatisches Verhältnis. Sie möchte mit ihrem Mann und den zwei Kindern in das Elternhaus einziehen und sieht eine Gelegenheit, die Mutter von dem Sinn des Unterfangens zu überzeugen.

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An den zwei Sommertagen, die die drei Generationen zusammen verbringen, entwickelt sich für den Zuschauer durch die Gespräche beim Essen und die Beobachtung der Rituale fast beiläufig ein fein gezeichnetes Porträt der einzelnen Familienmitglieder und ihrer Beziehungen untereinander. Konflikte treten zu Tage, doch es kommt weder zur Eskalation noch werden die Konflikte aufgelöst. Schmerz und Trauer, den sie verursachen, bricht der japanische Regisseur Kore-Eda Hirokazu (u.a. "Hana", "After Life") immer wieder mit einem heiteren Augenzwinkern. Sehr sensibel zeigt er die Familie als eine Grundkonstellation, die sich ab einem bestimmten Punkt nicht mehr verändert und in deren gesteckten Grenzen es nur ein vorsichtiges Aufeinander zugehen gibt. Ihr Zusammenhalt liegt in der gemeinsamen Geschichte, der gesellschaftlichen Form, aber auch in der wechselseitigen Zuneigung.
Mit besonders viel Liebe betrachtet Kore-Eda die alternden Eltern. Der Vater (Yoshio Harada) verbirgt hinter seinem Grummeln und seinem Stolz als Arzt, der es ihm sogar nach seiner Pensionierung verbietet, sich auf öffentlicher Straße mit Einkaufstüte zu zeigen, den Schmerz über den verlorenen und die Liebe zu dem verbliebenen Sohn. Die Mutter (Kirin Kiki), die im Gegensatz zum Vater die angeheiratete Familie von Ryota nicht akzeptiert, bedient sich kunstfertig traditioneller Rituale, um mit japanischer Höflichkeit Ansprüche zu stellen oder Spitzen auszuteilen, und bleibt dabei dem Zuschauer dennoch sympathisch.

Kore-Eda Hirokazu gelingt es die Essenz der Familienbeziehungen herauszukristallisieren, sodass die Geschichte nicht nur in Japan, sondern irgendwo auf der Welt spielen könnte. Das macht "Still Walking" zu einem herausragenden Beitrag bei den diesjährigen Filmfestspielen von San Sebastian.

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"Still walking" trägt viele autobiografische Züge des Regisseurs und ist auch eine auf den Tod seiner Eltern. So schreibt Kore-Eda in einem Statement zu seinem neuen Film: "As an ungrateful eldest son who used the demands of his profession to excuse my long absences from home, I find myself troubled by regrets, to this day. 'If only I’d been more...'' 'Why did I say that then...' Still Walking is a film launched by the experience of regret that we all share."

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Titel

Orignaltitel

Aruitemo, aruitemo

Englischer Titel

Still Walking

Credits

Regisseur

Hirokazu Kore-Eda

Schauspieler

Hiroshi Abe

Kirin Kiki

Yui Natsukawa

Kazuya Takahashi

You

Drehbuch

Land

Flagge JapanJapan

Jahr

2008

Dauer

114 min.