“RR” von James Benning

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Zug nach Zug nach Zug nach Zug nach Zug

RR ist ein Eisenbahnfilm, vor allem aber ist es ein Landschaftsfilm, der von zufälliger und absichtlicher Schönheit, von Licht, von Stimmungen und räumlichen Strukturen, von Rhythmen und von den USA erzählt. Es handelt sich um ein kunstvolles Arrangement weniger Parameter innerhalb eines festen Settings.

Die Anordnung ist streng. Wir sehen in 111 Minuten 43 feste Einstellungen, in denen Züge je durch eine Landschaft fahren. Dabei beginnt der Schnitt kurz bevor der Zug den Filmausschnitt betritt, und endet zumeist nachdem der Zug den Ausschnitt verlassen hat und der Ton des Zugs leise geworden ist. Es handelt sich um ein ganz einfaches Setting, in dem die gegebenen äußeren Umstände der Züge die Dauer der Einstellung bestimmen.

James Benning hat sich an die Strecken begeben und auf die Züge gewartet; er wusste, wie viele Züge am Tag etwa durchkommen, aber nicht wann genau. Dieses zufällige Element hat sich in den Film übersetzt: ein bestimmtes Licht, eine bestimmte Tageszeit und die kleinen Koinzidenzen zwischen Zug und Schmetterling oder Zug und Schiffen etc. vermitteln ein Gefühl von zufällig entstandener Schönheit und Bedeutung. Ich saß vor dieser Schönheit, wie ich auf einem Spaziergang vor der überraschenden Schönheit eines Ausblickes, eines Lichts, oder einer linden Luft stehe. Diese zufällige Schönheit steht in einer Spannung zu der Schönheit, die durch die absichtsvolle Komposition des Ausschnitts sichtbar wird. Dies ist einer der Gegensätze, die den Reiz des Films ausmachen.
Ein weiterer wichtiger Kontrast entsteht zwischen dem oft unangenehmen Sound der alten Züge und den idyllischen Bildern. Besonders haben mich beim Angucken verschiedene Rhythmen beschäftigt: Da ist das Rattern des Zugs, das mit den Wagons gekoppelt ist, die visuelle Abfolge der Wagen, von nah oft wie ein Flackern; da ist der Spannungsmoment jeder neuen Einstellung, jedes neu auftauchenden Zugs, den ich einerseits gespannt erwarte und der mir andererseits immer ein Stück meines Blickes auf die Landschaft nimmt, dafür aber die Räumlichkeit definieren hilft und die Landschaft belebt. Das Verschwinden der Züge ist immer auch ein Moment der Erleichterung, ein Rückkehr in eine Friedlichkeit.

Eine politische Deutung, die sich mit der amerikanischen Gesellschaft und ihrem Konsum an Öl und anderen Güter beschäftigt, ist zwar von Benning durchaus mitgedacht, aber sie drängt sich nicht auf, und scheint mir auch am Kern des Erlebnisses des Films vorbeizugehen.

Der Film war für meine Augen, vor allem aber für meine Ohren eine Spur zu lang. RR, der sich so gut als Endlosschleife im künstlerischen Ausstellungsbetrieb denken lässt, hat in der Mitte ein paar Längen; um mich herum fielen denn auch einige Menschen sanft schnarchend in den Schlaf. Am Ende aber waren wieder alle wach und mehr oder weniger gebannt. Mit einer grandiosen letzten Einstellungen wurden wir zurück ins Leben entlassen.

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Titel

Orignaltitel

RR

Credits

Regisseur

James Benning

Land

Flagge Vereinigte StaatenVereinigte Staaten

Jahr

2007

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