Max Ophüls Festival: "Nichts geht mehr" von Florian Mischa Böder

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Es fängt brillant an: stimmige Bilder, knackige Dialoge und glaubwürdig, eigenwillige Charaktere ziehen den Zuschauer sofort hinein in die Geschichte. Zwei Brüder, ein Sommer in Bochum. Der eine, August ( Jean-Luc Bubert) ist ein wenig der Partyhengst und Macher und Laberkopp, sein jüngerer Bruder Konstantin (Jörg Pohl, der auch den Darstellerpreis gewonnen hat) hat einen ruhigeren und kontrollierteren Charakter, versucht sein Leben nach dem Auszug zu Haus in Fahrt zu bringen. Die beiden verstrahlen die Fröhlichkeit und Lust einer lauen Sommernacht, sie wollen irgendeinen „Scheiß“ machen, sich amüsieren und es allen anderen zeigen. Es beginnt mit einem Einbruch ins Schwimmbad. Sehr witzig und toll gefilmt. Als nächst Aktion wollen die beiden, angetrieben von August alle Ampeln in Bochum anmalen. Das tun sie auch und am nächsten Morgen ......

ist von einer Terrorgruppe die Rede, die Chaos stiften will. Als die Polizei ihnen auf die Schliche kommt, weil August natürlich nicht die Klappe halten kann und mit der Tat prahlt, hauen die Brüder ab in die Elternwohnung der frisch gebackenen Freundin Konstantins. Die Annäherung zwischen Konstantin und ihr ist wirklich schön in nur wenigen Szenen dargestellt.
Von Bochum fliehen sie also nach Hannover, in die lehrstehende Wohnung. Noch haben die beiden Spaß und glauben, alles wird vorbei sein, wenn sie ich ruhig verhalten. Über ihnen wohnt eine WG linksschwärmerischer Studenten, die natürlich bald auch wissen, mit wem sie es zu tun haben. August und Konstantin sind ständig im Fernsehen, es gibt schon Nachahmer Taten. Die beiden scheinen mit ihrer Spass-Guerilla Aktion den richtigen Ton getroffen zu haben. Die Medien und auch die Bewunderer der beiden "Terroristen" interpretieren alles mögliche in den albernen Streich hinein: „Weil immer alles geht, alles immer zu haben ist, habt ihr dafür gesorgt, dass nichts mehr geht“, sagt sinngemäß einer der Bewunderer.

In Hannover wird viel gefeiert und werden neue „Anschläge“ geplant zusammen mit den WG Leuten von oben. Vor allem August genießt die Aufmerksamkeit, Konstantin würde gern wieder raus aus der Nummer, aber weiß nicht wie. Doch als Konstantins Freundin in Hannover auftaucht, August mit einer Frau aus der WG oben rummacht und es deswegen Stress mit deren Freund gibt, treten auch Spannungen zwischen den Brüdern auf. Und genau das ist der Punkt, an dem der Film leider an Kraft einbüßt und am Ende seine Klarheit und Kompaktheit und vor allem seinen Humor der ersten 60 Minuten verliert. Die allzu drehbuchschulartigen Konflikte, die nun in jeder zweiten Szene ausgespielt werden, wirken doch reichlich bemüht. Die Streitereien werden nicht durch eine spürbare Spannung der Lebenssituation gestützt und der Konflikt zwischen den Brüdern, der eine dominant, der andere folgsam, ist nicht nachvollziehbar genug, als dass er den großen Knall am Ende des Films erklären könnte.

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Die unpolitisch, naiven Aktionen, die von den Beteiligten als große Kritik am „System“ etc. verstanden werden, sind naiv und alle Beteiligten gefallen sich vor allem selbst in ihrer Revoluzzer Rolle. Wirkliche Ideen oder Vorstellung, von dem, was sie da machen, haben sie nicht. Da wird ganz symbolisch mit Gotcha Knarren gespielt, wie als Hinweis, wo das alles noch hinführen könnte, irgendwann hat August plötzlich eine schwarze Lederjacke an und mimt dem Chefidelogen und Lebemann im Baader-Style. Das alles ist ok und wirkt sogar recht nachvollziehbar. Aber die Entfremdung von Konstantin und August in diesem Kontext ist leider nicht so zwingend, wie die ständig inszenierten Streiterein zwischen den beiden zu erzeugen versuchen.

Am Ende will der Film zu viel und kann sich doch nicht entscheiden. Der Regisseur erzählte nach dem Film, dass sie diverse Enden ausprobiert haben, sogar eines, in dem August stirbt. Leider haben sie sich aus meiner Sicht zu einem laschen, nicht richtig offenen und auch nicht klaren Ende entschieden, das einen seltsam unbefriedigt zurücklässt. Und das, obwohl der Film über weite Strecken wirklich tolle Bilder und einen großen Humor hat. Danach haben die Filmemacher offenbar sich selbst und den Stoff zu ernst genommen und konnten den leichten Ton eines Streichs in einer Sommernacht, der eine unvorhersehbare Eigendynamik entwickelt, nicht mehr halten.

Natürlich denkt man an „Die fetten Jahre…“ wenn man den Film sieht, aber damit hat er wenig zu tun, denn bis auf ein paar motivische Überschneidungen, ist „Nichts geht mehr“ im Gegensatz zu „Die fetten Jahre“ kein gefilmtes Manifest bzw. keine dramatisierte Sehnsucht nach Leuten, die „sich mal was trauen“.
„Nichts geht mehr“ arbeitet sich an der Tatsache ab, dass der emphatische Protest wohlgenährter Studenten mit wenig politischem Bewusstsein und Verständnis schön anzuschauen, aber vor allem albern und überflüssig ist. Doch in der Medienwelt von heute wird der letzte Blödsinn mit Bedeutung aufgeladen und zeitigt so ganz eigene, ungewollte Effekte.

Kommentare ( 2 )

wollte den rezensenten nur kurz darauf aufmerksam machen, dass "wohlgenährt" nicht das gleiche wie "wohlbehütet" ist...

Danke für den Hinweis. Das war auch gemeint... Zum Glück ist eine der beiden Figuren ebenfalls recht wohlgenährt, was ja irgenwie zusammen gehört :-)

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