Zwei Dicke Striche

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Berlinale Bilanz nach 10 Tagen Kellerassel-Existenz im Dunkeln

Schön war’s, lang war’s, manchmal war ich sehr müde (8.30 Kartenschlange 22.30 letzter Film, dann tippen) aber von den Filmen seltenst ermüdet. Die künstlerisch-inhaltlichen Reisen haben an manchen Tagen von einem brasilianischen Anti-Prostitutions-Pamphlet, über einen Boxfilm aus Kanada, in ein Boudoir im Frankreich des 19. Jahrhunderts geführt, was mein Einfühlungsvermögen für Figuren, Themen und Stile wirklich herausforderte.
Der Wettbewerb soll ja nach Aussage der meisten mau gewesen sein.

Die Gründe, die von Kritikern genannt werden, bleiben meist etwas unkonkret und reflektieren eher ein diffuses Gefühl, ....

...das offenbar eher aus enttäuschten Erwartungen enstanden ist, weil es wenige wirklich formulierbare Mängel benennt: Dieses Jahr sollen noch weniger Perlen und dafür mehr matte Murmeln dabei gewesen sein. Ich weiß nicht. Vielleicht ist es mit so einem Festival wie mit Wein: Man kann am gleichen Weinberg, bei vergleichbaren Wetter die gleichen Methoden bei Pflege, Ernte und Verarbeitung anwenden (aufs Festival bezogen: bei Auswahl, Zusammensetzung und Vorstellung), und doch kommt manchmal ein durchschnittlicher, eher schwacher Jahrgang und manchmal einen Grand Cru dabei heraus.

Ich finde die ganzen Vorwürfe an Kosslick albern, er habe Filme nach dem Terminkalender der Stars ausgesucht, der Wettbewerb sei ein langweiliger Gemischtwarenladen ohne Profil.
Cannes und Venedig haben einfach Luxusprobleme: die müssen entscheiden WELCHEN der Stars und Starregisseure sie nehmen und entscheiden sich dann für den vermeintlich besseren FILM. (Und haben trotzdem oft genug mittelmäßigen Hollywood Krams im Wettbewerb).
Berlin muss immer eine Balance zwischen Anspruch und Angebot finden. Das gelingt manchmal besser, manchmal nicht so gut. Man kann auch nur mit dem arbeiten, was da ist; aber vielleicht wissen ja die Insider welche Meisterwerke die Berlinale hätte bekommen können und ablehnte 2007.

Die reflexartige Kritik an der Berlinale (zu unpolitisch, zu politisch, zu viele Stars, zu wenige Stars (oder die falschen), zu viele deutsche, zu wenig deutsche Filme, zu gemischt, zu einseitig...) konzentriert sich auf den Wettbewerb, während meiner Meinung nach die Qualität im Panorama und auch bei den manchmal wirklich „gewagten“ (Euphemismus!) Forumsfilmen in den letzten Jahren deutlich angestiegen ist. Besonders das Panorama hat sich mit Dokumenten und Specials zu einem eigenen Festival im großen Festival entwickelt, das zu besuchen allein sich schon lohnen würde.

Also zwei Striche unter meine ganz persönliche Berlinale:

Toll: Away from Her, Chrigu, Hotel Very Welcome, Deux Jours a Paris, Letters from Iwo Jima, Shotgun Stories, Four Friends, Takva, Blindsight, Zirkus is nich

Ok: Strange Culture, Campaign, La vie en rose, Substitute, Guten Morgen Herr Grothe, Poor Boy's Game, Dans le villes, Ne touchez pas la hache, Ferien, Bushi no Ichibun, The Walker

Naja: ..a bude hur, Autopiloten, Crossing the Border, Faces of a Fig tree, In Memoria di me, The Good German

So richtig Doofes war gar nicht dabei dieses Jahr. Mein persönlicher Abschlussfilm: „Comrades in Dreams – Leinwandfieber“ auch ein Glücksgriff: Kinofanatiker in Nordkorea, Burkina, USA und Indien, die bewiesen: Kino lebt, Kino ist im Kern immer Leidenschaft und Spiegelung des eigenen Lebens, ist Traum und Arbeit, ist universelle Kunstform und individueller Geschmack. So sei es!

Kommentare ( 2 )

Tja, jetzt haben sich anscheinend alle Großkritiker auf Kosslick eingeschossen. Sie nölen wegen der Stars, sie nölen, weil die Filme zu langweilig und pseudo-künstlerisch gewesen seien. Die Filme sind wahlweise nicht anspruchsvoll, nicht emotional oder nicht spannend genung, zu nah am Massengeschmack, zu weit vom Publikum entfernt, zu abgehoben, sind Massenware, chancenlose Nischenfilme was auch immer.

Sicher gab es Ausreißer: "300" hatte nichts im Wettbewerb zu suchen und (wenn man das glauben kann, was man liest und hört) "Bordertown" sicher auch nicht.

So schlimm kann es aber alles nicht sein. Habe 15 Filme gesehen.

2 schlechte: Elvis Pelvis, Berlin Song
2 zwiespältige: Andy Warhol Docu, When Darkness Falls
2 Durchschnitt (aber lustig): 300, aka. Nikki S. Lee
4 gute: AlleAlle, Hotel Very Welcome, Good Sheperd, Interview
3 sehr gute: Comrades in Dreams, Scott Walker: 30 Century Man, Walk into the Sea
2 tolle Klassiker: Killer of Sheep, Bonnie & Clyde

Das ist keine schlechte Bilanz. Außerdem ist die Berlinale ganz offensichtlich ein guter Ort für spannende Dokus. Das ist doch was. Die, die jetzt über die oberflächlichen Stars nölen, würden hysterisch greinen, wenn im nächsten Jahr weniger auf dem roten Teppich zu sehen sind.

Eine Bitte: Könnte mal dieses ständige Gelaber vom "politischen Festival" aufhören? Das ist mittlerweile eine echte Leerformel.

recht so töffe. meine bescheidene bilanz geht so:

2 schlechte: Elvis Pelvis, Berlin Song
2 ganz nette: when a man falls in the forest, la vie en rose
2 gute: halfmoon files, takva
1 fantastischen: blindsight


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