"L’esprit des lieux" von Catherine Martin (Forum)
Catherine Martin nimmt uns mit auf eine Reise durch das ländliche Québec. Nach über dreißig Jahren sucht sie die Orte auf, die Gabor Szilasi, ein in Kanada bekannter Fotograf, in seinen schwarz-weiß Aufnahmen festgehalten hatte. Dabei beschränkt sich der Dokumentarfilm nicht darauf, den exakt gleichen Bildausschnitt mit der Kamera einzufangen, es ist ein Abgleichen von Vergangenheit und Gegenwart: Den Fotografien von 1970 werden in Standbildern und langsamen Schwenks die Landschaften, Orte und Personen gegenübergestellt.
Kein verklärter Blick des Stadtmenschen auf die ländliche Idylle, sondern ein behutsames Eintauchen in das Leben auf dem Lande. Die Personen berichten von der Zeit, als die Aufnahmen entstanden und über die vergangenen Jahrzehnte. Besonders lebendig etwa die seinerzeit jungen Männer vor einem Wagen stehend, die von den regelmäßig stattfindenden Autorennen berichten, die damals die große Attraktion in der Gegend waren. Heute ist davon nichts mehr zu erahnen, dort, wo mächtig Staub aufgewirbelt und angefeuert wurde, ist nur noch eine weit ausgedehnte Wiese zu erblicken. Ein Mann nimmt uns mit auf einen Spaziergang zu dem inzwischen verfallenen Bauernhof und die Felder, ehemals im Familienbesitz, es wird über eine einstmalige Kneipe berichtet, die Treffpunkt der örtlichen Jugend war, aber nun nicht mehr existiert sowie über ein riesiges Holzkreuz berichtet, das die ersten Siedler an dieser Stelle errichtet hatten.
Schöne, leise Bilder geben uns Einblick in das Alltagsleben der katholisch geprägten franko-kanadischen Region und dokumentieren die Überbleibsel einer schwindenden Kultur, zeigt sich doch ein Großteil der Traditionen und Bräuche allein durch in den Berichten der Bewohner präsent. So scheint es, daß das ländliche Québec, das in weiten Teilen erst 1950 an die Stromversorgung angeschlossen wurde, heutzutage weniger lebendig erscheint, als noch vor dreißig Jahren, denn auch hier zieht es die jungen Leuten in die Städte. In Verbindung mit den Fotos zeichnet der Film somit ein Bild der Erinnerungen an längst vergangene Tage und bewahrt sie vor dem völligen Verschwinden.
Von Catherine Martin ist zudem der Spielfilm „Dans les villes“ bei der Berlinale zu sehen.