"Lady Chatterley" von Pascal Ferran (Panorama)
In einen Film wie "Lady Chatterley" geht wohl fast jeder mit einer Erwartungshaltung, die auch von moralisch nicht vollkommen einwandfreien Motiven geprägt ist. Wer jedoch vor allem freizügige Sexscenen erwartet hatte, wurde herbe enttäuscht.
Statt dessen beweist Pascale Ferran mit seiner Version von "Lady Chatterley" eindrucksvoll, wie einer Literaturverfilmung die schwierige Gradwanderung zwischen Werktreue und neuer, eigener Interpretation eines bekannten literarischen Textes gelingen kann. Sein Film konzentriert sich weit ab von irgendwelchen vordergründigen Effekthaschereien ganz auf die innere Entwicklung, die die beiden Hauptfiguren durch ihre verbotene Beziehung durchleben.
Die Romanvorlage zu "Lady Chatterley" war gleich in mehrfacher Hinsicht ein Tabubruch: D. H. Lawrence beschrieb nicht nur ein außereheliches Liebesverhältnis, er ließ diese Beziehung auch noch zwischen einer Adeligen und einem Arbeiter stattfinden und wagte es obendrein, der Frau sexuelle Lust zuzugestehen. Auch im England der zwanziger Jahre noch ein unerhörter Skandal.
Ferran hat aus diesem Skandalbuch einen stillen und schönen Film gemacht, der sich viel Zeit für seine Geschichte nimmt und nicht der Versuchung erliegt, die Handlung durch reißerische Sexeinlagen voranzutreiben. Behutsam und langsam entwickelt sich die außereheliche Beziehung zwischen der jungen Lady Chatterley und dem eigenbrödlerischen und wortkargen Jagdhüter. Wie es dabei nach und nach zu wachsender Intensität und Intimität jenseits aller Klassenunterschiede kommt, wird faszinierend in Szene gesetzt.
Sexualität ist bei Ferran eine Art Urgewalt, die es dem Einzelnen sogar ermöglichen kann, die Begrenztheit der eigenen Existenz zu überwinden. Die beiden Protagonisten begnügen sich in seinem Film nicht mit einer simplen Sexaffäre, sondern sie entdecken durch ihre geheime Beziehung für sich selbst eine neue Identität jenseits bestehender geschlechtspezifischer Rollenzuschreibungen.
Insgesamt ein sehenswerter Film mit herrausragenden Darstellern, der dem Zuschauer allerdings sowohl durch seine Länge (158 min) als auch durch seinen zahllosen Naturaufnahmen einiges an Geduld abverlangt.
Kommentare ( 1 )
Beim den französischen Oscars, den Cesars, hat Lady Chatterly 2007 voll abgeräumt. Der Film gewann in folgenden Kategorien:
- Bester Film
- Beste Hauptdarstellerin: Marina Hands
- Beste Adaption
- Beste Kameraarbeit: Julien Hirsch
- Beste Kostüme: Jonathan Dayton, Valerie Faris
Posted by andreas | 25.02.07 18:45