Wettbewerb : Le Promeneur des Champes du Mars/ Der späte Mitterand von Robert Guediguian

Regie: Robert Guediguian Drehbuch: G. Taurand
Darsteller:Michel Bouquet, Jalil Lespert, Philippe Fretun, Anne Cantineau, Sarah Grappin, Catherine Salviat

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L’état c’est moi !

Eine Brunette solle er sich suchen! Nicht unter 25 Jahren, die würden nur spielen, 35 Jahre, das wäre ein ideales Alter. Kein Modell, die dürfe man nur anschauen, keinesfalls kennen lernen, Am besten aus dem Norden... boff. Späte Tipps des „späten Mitterands“ (hervorragend gespielt von Michel Bouquet)an einen jungen Journalisten.
Dieser Journalist Antoine Moreau (Jalil Lespert) fragt sich während des ganzen Films, warum der Präsident ihn für seine Memoiren ausgesucht hat, gerade ihn. Er spürt, gesteuert zu werden, der verkörperten französischen Geschichte nicht gewachsen zu sein und hat zu allem Überfluss auch noch private Probleme.
Letztlich brauchen und missbrauchen sie aber einander. Und da es im stillschweigenden Wissen geschieht, finden sie fast so etwas wie Halt in einander. Freilich nur für wenige Tage, die sich über Mitterands letzte Lebensmonate erstrecken. Vom Krebs gezeichnet, will er seine Präsidentschaft würdig über die Runden bringen, ohne, dass in der letzten Ministerratssitzung sein „Kopf schief zur Seite hängt“. Der im Film gezeichnete Mitterand ist ein Schelm, ein Mann mit Witz und Selbstironie, der lieber Julia Roberts in New York besuchen würde, als mit den Polit-Rentnern Thatcher, Gorbatschow und Bush Sen. In Palm Springs Geschichte zu feiern. Dann würde er die Roberts fragen, ob es wirklich nicht ihre Beine waren, damals in „Pretty Woman“. Dabei ist der Präsident an Geschichte durchaus interessiert. Sehr sogar. Schließlich geht es um sein Geschichtsbild. Und er ist sich sicher, der letzte große französische Präsident zu sein. Was komme, sind Bürokraten – daran sei Europa und die Globalisierung schuld. Seine Selbstgewissheit sagt ihm jedoch auch, dass man ihn bald vergessen haben wird. „Leidenschaft für die Gleichgültigkeit“ lautet eines der kältesten Motti, die er dem jungen Journalisten mit gibt, während sie wichtige Orte der französischen Geschichte besichtigen.
Der Film beruht auf einer umstrittenen Mitterand-Biographie. Buch wie dem Film wird Fiktion vorgeworfen. Darüber hinaus die Auslassung großer Skandale. Aber genau das macht den Film so gut. Es ist eine hervorragende Charakterstudie – ob sie dabei Mitterand genau trifft oder nicht, scheint fast egal. Man kann ihn sich so vorstellen. Viel näher kann man sich einem Menschen ohnehin kaum nähern. Noch dazu wird so auch der Film zum Thema seiner selbst: wie entsteht Geschichte, wer hat die Definitionsmacht. Wer bestimmt, entlang welcher Wegmarken die historischen Autobahnen durch den Dschungel der viel zu vielen Fakten und Meinungen gebaut werden?
Unweigerlich fragt man sich beim Schauen des Films, welcher junge Journalist wohl gerade Helmut Kohl begleitet. Wer neben ihm stand, als er im Weihnachtsurlaub auf Sri Lanka dem Tsunami trotze, wer sich in die Flut seines Erzählstromes wirft und darin unweigerlich mitgerissen und untergehen wird.
Der Joournlist Moreau ertrinkt übrigens nicht. Er wächst an der und an dieser Geschichte. Und die Sache mit der Brunetten... wird nicht verraten.

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