Wettbewerb: „Fateless“ von Lajos Koltai

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KZ taugt nicht als Filmset

*Regie: Lajos Koltai *Kamera: Gyula Pados *Musik: Ennio Morricone *Darsteller: Marcell Nagy, Aron Dimény, Andreas M Kecskes, Daniel Craig

Wenn der Regisseur spürt, dass sein Film nicht gelungen ist, dass die Bilder und die Geschichte nicht allein tragen, versucht er ihn zu retten, indem er am Ende noch ein Voiceover, eine Erzählstimme einfügt, um die nicht gelungene Dramaturgie und ein befriedigendes Ende künstlich zu erzeugen. So ein Ende hat Fateless. Leider, aber mit Recht.
Der Junge, gerade den Todeslagern entkommen, kehrt zurück nach Budapest und sinniert in dem Voicecover eine Weile über Glück im KZ und wie er sich jetzt in der Freiheit nach dem Lager sehnt. Diese Szene steht auch am Ende des Buchs, „Roman eines Schicksalslosen“, das als Vorlage diente. Im Buch ist sie überwältigender Schluss einer Figurenentwicklung, die so überraschend wie glaubwürdig ist. Dem Film ist das nicht gelungen, überhaupt nicht. Seine Vorführung im Berlinale Palast als nachnominierter Wettbewerbsbeitrag war ein wirklich trauriges Ereignis für mich. Ich habe das Buch geliebt, es ist für mich DER Roman über den Holocaust. Deshalb bin ich noch im Saal sitzen geblieben, als schon nach der Hälfte des Films klar war: Dies ist ein traurig gescheiterter Film.

Der Film war nicht aufgrund der Thematik eine Qual, sondern weil die bemüht farblosen Bilder im KZ, die auf graugeschminkten Männer in Lumpen, die nackten Leibern auf Holzkarren kein Gefühl erwecken konnten, keinen Schmerz, keine Scham, keine Empörung, kein Mitleid - nur Wut. Über den Film. Ein schlechter Film, der all das nicht leisten kann, was das Buch zum Thema Ausschwitz und Holocaust fertigbrachte. Anteilnahme, Verständnis für die graduelle Entmenschlichung und Entkörperung der Gefangenen, die Wirre psychologie der Unterwerfung, wenn ein verlumpter Gefangener seinen Schinder in strahlender SS-Uniform anhimmelt und es ihm Recht machen will, die feine Ironie in Kertez Sprache, die sich selbst beim Verfall und Entstehen des eigenen Lebens beobachtet.
Dieser Film beweist ein weiteres Mal, dass man das Grauen des Holocaust nicht filmisch abbilden kann, ohne es dabei austauschbar zu machen und zu banalisieren. Das KZ taugt nicht als Filmset, weil die Bilder schon so tief in unserem Bildergedächtnis liegen, dass sie nur als plumpe Annäherungsversuche erscheinen (Die SZ nannte es „beschämend banale, harmlose Kinobilder“). Geschminkte, zerlumpte Schauspieler spielen Halb-Tote und sind allerhöchstens schlechte Kopien eines niemals wirklich fassbaren Geschehens. Die Musik von Ennio Morricone trägt in ihrer Saucenhaftikeit nur noch zur Distanzierung von den Bildern bei.

Traurig und beschämt bin ich noch während des Abspanns aus dem Kino, weil ich Imre Kertez, der zur Premiere angereist war, nicht dort oben auf der Bühne sehen wollte, wie er allerhöchstens höflichen Applaus für diesen schlechten Film entgegennimmt, dessen Thema sein Leben bis heute prägt, für das er in seinen Büchern aber längst einen passen Ausdruck gefunden hatte.

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