Panorama Special: Riyuu (The Motive) von Nobuhiko Obayashi

Japan 2004 * Regie: Nobuhiko Obayashi Buch: Nobuhiko Obayashi und Shiro Ishimori nach einem Roman von Miyuki Miyabe Darsteller: Ittoku Kishibe, Masami Hisamoto, Miyoko Akaza, Jun Fubuki

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Bevor der Film beginnt, kommt der lächelnde ältere Regisseur Herr Obayaki auf die Bühne. Er sagt uns einige Sätze zum Film, lächelt viel, genauso wie die widerwillig herbei geholten drei Produzenten, darunter seine Frau, die ganz verlegen kichern. Er hofft, der Film berühre uns, geht uns ans Herz. Irgendwann sagt er das noch einmal. Als schon alle denken, jetzt kann der Film beginnen, sagt er das wieder und lächelt ganz freundlich dabei.

Genauso ist der Film. Wie ein lieber alter Großonkel, der uns eine Geschichte erzählt. Dann holt er aus und erzählt weiter. Und holt wieder Luft und erzählt und erzählt und kommt nicht zum Punkt.

Eigentlich ist Riyuu eine spannende Geschichte, geschrieben von der in Japan erfolgreichen Autorin Miyuki Miyabi. Vier Tote in einer Wohnung, von denen aber keiner wirklich hingehört. Was haben sie dort alle gemacht? Kannten sie sich untereinander überhaupt? Was verbindet sie mit dem Besitzer? Was war das Motiv von diesen Morden? Die zuständigen Polizisten sind verwirrt, und in einzelnen Szenen erzählen alle Zeugen, was sie gesehen haben, woher sie wen kennen. Sie erzählen es in die Kamera, uns, als würden wir sie bei einem kleinen Plausch ganz locker verhören. Aus verschiedensten Winkeln sehen wir die Mordnacht wie bei einem Miss Marple oder Hercule Poirot Film, die Puzzleteile ergeben nach und nach ein großes Bild.

Es ist leider ein sehr, sehr großes Bild. Alle erzählen und erzählen. Sicher gibt es einige witzige Details, die einen zum Schmunzeln bringen. Ein Mann plaudert seine Geschichte, während im Hintergrund des Segelclubs zwei halbnackte Mädchen ins Bild kommen. Als ein junges Mädchen in sehr kurzem Mini ein Orangensaft serviert und in die Kamera lächelnd grüßt, wird der befragte Mann wütend und schmeißt alle hinaus, da er nicht gefilmt werden möchte. Alle, die ins Bild kommen, grüßen uns freundlich verlegen, bitten uns zum Tee oder Kaffee. Es ist das einfache alltägliche Tokyo fernab vom bizarren und verrückten Shibuya oder Shinjuku. Keine Louis Vuitton Taschen oder Gucci Schuhe, keine stylischen oder im Fetisch verkleidete Figuren. Kein buntes rastloses Treiben voller Salarymen oder Geschäftsleuten. Nicht die uns fremde Popwelt wie in Lost in Translation, ganz frei von Klischees und dem verkorksten westlichen Bild Nippons. Hier werden einfache Familien in einem der vielen Stadtteilen Tokyos gezeigt, mit einem seufzenden Bedauern, dass sich so vieles vor allem seit dem Krieg verändert hat. Häuser abgerissen, alte Straßenzüge platt gemacht. Leise Kritik an Geldgier und Profitwahn, die einfache Existenzen kaputt macht, die so hart gearbeitet haben, die noch an familiäre Werte glauben.

Ein ruhiger Film mit viel Liebe zu Details. Zu viel Liebe zu Details. Man traut sich kaum aufzustehen, als man zum Tee gebeten wird und erzählt bekommt, wie der Vater von der verdächtigen Person war. Ja, er hatte es damals so schwer, dieses Süßwarengeschäft zu erhalten. Denn dessen Mutter war eigentlich auch bemitleidenswert. Sie musste in eine vorherbestimmte Familie einheiraten. Und der Verdächtige, der wollte ja nur das Beste für seine Kinder. Er ist ja gleich nach der Schule von zu Hause ausgezogen. Und sein Vater ist nie darüber hinweggekommen. Man schielt schon zur Tür, guckt heimlich auf die Uhr und lächelt freundlich, weil man doch endlich wissen will, was war nun das Motiv???

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