Panorama Dokumente: Lost Children von Ali Samadi Ahadi und Oliver Stoltz

Regie: Ali Samadi Ahadi, Oliver Stoltz * Drehbuch: Ali Samadi Ahadi, Oliver Stoltz *
Kamera: Maik Behres * Schnitt: Ali Samadi Ahadi * Musik: Ali N. Askin

Wieder eine Weltpremiere im Panorama der Berlinale. "Verlorene Kinder" dokumentiert den Versuch eine kirchlichen Hilfsorganisation, vier ehemalige Kindersoldaten in Nord-Uganda wieder in ihre Familien und Dörfer zu integrieren. Harte Kost also.

Der Film beginnt mit einem reißerischen Trailer, in dem eine tiefe Männerstimme, wie man sie aus den Vorankündigungen amerikanischer Action-Filme kennt einige Fakten zu Uganda erzählt, während dazu schwer erträgliche Bilder von mordenden Soldaten (oder Rebellen?) gezeigt werden. Dann erst beginnt der eigentlich eher ruhige und nachdenkliche Film, der die 4 Kinder in der kirchlichen Organisation und bei der Arbeit mit einer Sozialarbeiterin zeigt. 8, 12, 13 und 15 Jahre sind diese Kinder alt, die aus ihren Dörfern und von ihren Eltern entführt wurden und von den Rebellen zu unglaublichen Gräueltaten gezwungen wurden.

Uns begenen diese Kinder sehr ruhig: sie erzählen (etwas verwirrend: manchmal werden diese Erzählungen untertitelt, manchmal eingesprochen) meist mit entspannter Stimme, wie sie entführt wurden und was sie alles sehen und tun mussten. Die Kamera verweilt dabei auffallend oft an den offnen und eiternden Wunden derjenigen Kinder, die gerade neu ins Heuim gekommen sind. Das wirkt etwas voyeuristisch und befremdlich.

Nach und nach beginnen die Kinder sich zu öffnen und weitere Details von ihren unglaublichen Erlebnisse zu berichten: wie der dreizehnjährige Kilama eine Frau vor den Augen ihrer Kinder brutal niederstach, von den Initiationsriten anderer entführter Kinder, die erst einen Entführten zu Tode prügeln und dann sein Gehirn aus dem gespaltenen Schädel herauslecken mussten.

Aber auch der Versuch einer Reintegration der Kinder in ihre Familien wird beleuchtet. Hier wird deutlich, dass der achtzehnjährige Bürgerkrieg in diesem Land tiefe Auswirkungen auf die Bevölkerung hat: alkoholabhängige Eltern wissen nichts mit ihren Kindern anzufangen, Angehörige haben Angst vor der unkontrollierbaren Aggressivität der Kinder (von der man im Film nichts sieht, die die Regisseure im anschließenden Gespräch allerdings betonen) oder vor den Drohungen der Rebellen, jeden umzubringen, falls der oder die Entführte wieder bei ihnen gefunden werde.

Das Problem der "child soldiers" wird bei uns meist mit Bildern von behelmten, betrunkenen Kindern, die in der Gegend herumschießen illustiert. Die beiden Regisserure wollen ein anderes, ein realistischers Bild aus einem Land zeigen, dass seit 18 Jahren von einem mörderischen Bürgerkrieg zerfleischt wird, von dem in Europa aber nur in der Presse zu lesen ist, wenn bspw. 800 Menschen auf einen Schlag ermordet werden.

Schade ist dabei, dass die Filmmacher nicht auf die Schilderungen der Kinder vertrauen. Auch das erschütternde Interview mit einem Kind, das verdächtigt wurde auf der falschen Seite zu kämpfen und dem deshalb die Ohren, die Nase, die Oberlippe und alle Finger abgeschnitten wurden, reicht ihnen nicht. Statt dessen werden am Ende noch einmal nahezu unerträgliche Bilder von Leichen und Verstümmelten Opfern des Krieges gezeigt. Sie wollten daran erinnern, dass in diesem Land Krieg herrscht, meinten sie dazu. Der Film hätte dies auch ohne den reißerischen Anfang und das grobschlächtige Ende getan.

Es gibt nur wenige Augenblicke des Glücks in diesem Film: als die mehrfach vergewaltigte Jennifer erfährt, dass sie kein AIDS hat bspw., oder als der junge Francis nach Jahren wieder in sein Dorf kommt und ganz spontant von den Dorfbewohnern aufgenommen und von seiner Mutter in die Arme geschlossen wird. Aber diese Glücksmomente seien Zufälle gewesen, so die Regisseure, denn die Realität sieht nach wie vor anders aus.

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