Nine Songs von Michael Winterbottom

Regie: Michael Winterbottom * Drehbuch: Michael Winterbottom * Kamera: Marcel Zyskind * Darsteller: Kieran O Brian, Margo Stilley

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Es wird wenig erklärt. Wir kennen nicht die Vorgeschichte von Matt und Lisa, wir wissen nicht was sie gegenwärtig machen. Wir sehen sie sind jung und sie sind verliebt. Nach einem gemeinsamen Konzert und einer gemeinsamen Nacht.


Intimitaet und Musik, sie sind die zentralen Bestandteile von "Nine Songs". Szenen, in denen sich Matt und Lisa lieben, und Konzerte in der Londoner Brixton Hall. Liebe nicht vor der Kamera versteckt, sondern als explizite Hingabe, als Körperenergien, die aufeinandertreffen. Die Konzerte sind Rock and Roll, sind u.a. Black Rebel Motorcycle Club, Franz Ferdinand und The Dandy Wahrhols. Sie schaffen der Intensität von Matts und Lisas Liebe Luft zum atmen, soziale Einbindung.

Am Ende bleibt kein Ganzes, keine Geschichte die sich erzählen liesse. Es bleiben traumhafte Sequenzen, eine Collage. Wie bei Matt, der sich bei einem Flug über die Antarktis an die vergangene Liebe mit Lisa erinnert: der Ausgangspunkt des Films.


Mit "Nine Songs" überschreitet Michael Winterbottom Grenzen des gesellschaftlich akzeptierten Kinos. Bewusst und auf eine Weise radikal, denn er reduziert die Liebe von Matt und Lisa auf das Körperliche. Es ist eine gewollte und gelungene Gegenimprovisation zu dem Kino, in dem die Darstellung von Intimität völlig ausgespart bleibt. Winterbottom fragt: Warum, wenn Intimität ein so zentraler Part von Liebe ist? Es stimmt. In Szenen wird uns bewusst, wie wichtig kleine Details von Sex sind, für das Einfühlen in die Liebe anderer, sowohl im Kino als auch ausserhalb.


Die Wahl von Digital Video als Filmmaterial und die Darstellung von Kieran O´Brian und Margo Stilley geben dem Film eine ungewohnte Nähe, die in ihrer Ungestelltheit und Glaubwürdigkeit verwirrt.


Nine Songs nutzt seine Chance und verspielt den Mut von Regisseur und Darstellern nicht. Der Film setzt wie zuvor Intimacy von Patrice Cheraud und Romance von Catherine Breillat neue Markierungen für die Grenzen der Liebe im europäischen Kino. (at)

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