Berlinale 2015

Berlinale 2015: VICTORIA kommt in die amerikanischen Kinos

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Offensichtlich haben die Worte von Jury-Präsident Darren Aronovsky über VICTORIA "this film rocked my world and will rock audiences around the world" bei der Bärenverleihung für Aufmerksamkeit gesorgt. Wie das amerikanische Branchenmagazin Deadline meldet, hat der New Yorker Filmverleiher Adopt Films die US-Rechte des Films von Sebastian Schipper erworben und will den Film im Spätsommer oder Herbst 2015 in die amerikanischen Kinos bringen. VICTORIA-Kameramann Sturla Brandth Grøvlen wurde mit dem Silbernen Bären für seine "herausragende künstlerische Leistung" ausgezeichnet.

Berlinale 2015: Das sind die Bärengewinner

Goldener Bär für den Besten Film (für den Produzenten)
TAXI von Jafar Panahi

Silberner Bär für die Beste Darstellerin
Charlotte Rampling 45 YEARS

Silberner Bär für den Besten Darsteller
Tom Courtenay für 45 YEARS

Silberner Bär Großer Preis der Jury
EL CLUB von Pablo Larrain

Silberner Bär Alfred-Bauer-Preis für einen Spielfilm, der neue Perspektiven eröffnet
IXCANUL von Jayro Bustamante

Silberner Bär für die Beste Regie
Radu Jude für AFERIM! und
Malgorzata Szumowska für BODY

Silberner Bär für das Beste Drehbuch
Patricio Guzman für EL BOTO DE NACAR

Silberner Bär für eine Herausragende Künstlerische Leistung aus den Kategorien Kamera, Schnitt, Musik, Kostüm oder Set-Design
Sturla Brandth Grøvlen (Kamera) in VICTORIA und
Alexey German jr., Ivgeni Privin (Kamera) UNDER ELECTRIC CLOUDS

Goldener Bär 2015: TAXI von Jafar Panahi

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Taxifahrer sind so etwas wie die lebensnahen Lieblinge der Regisseure – können sie doch durch ihren dauernden Kontakt mit den Fahrgästen sehr verlässlich die Stimmung einer Gesellschaft an einem bestimmten Ort, zu einer bestimmten Zeit einfangen. TAXI DRIVER, COLLATERAL und NIGHT ON EARTH sind nur einige der zahlreichen Beispiele dafür. Nun hat sich der iranische Regisseur Jafar Panahi für seinen Film TAXI selbst ans Steuer eines Taxis gesetzt, im Jahr 2014 in Teheran. Die Begegnungen, die er dabei hat, ergeben eine kluge und unterhaltsame (!) Bestandsaufnahme der gegenwärtigen Stimmung im Land.

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BÄRENORAKEL

Wer sollte die Bären gewinnen. Nachdem ich 16 der 19 Filme gesehen habe, die im Wettbewerb in der Konkurrenz laufen - wie würde ich die Bären verteilen?


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Berlinale 2015: WHAT HAPPENED, MISS SIMONE? von Liz Garbus

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Nina Simone war eine der besten Jazz- und Bluessängerinnen aller Zeiten. Sie wurde in den Sechziger Jahren auch eine Ikone der Civil Rights Bewegung in den Vereinigten Staaten. „She was one of the greatest live performers ever, hands down“, sagt ihre Tochter Lisa Simone Kelly im Dokumentarfilm von Liz Garbus. Trotzdem war Nina Simone nicht das, was sie sein wollte: eine klassisch ausgebildete Pianistin, die die großen Werke klassischer Komponisten interpretiert. Bach ist der Komponist, den sie in Interviews nennt. „I wanted to play Bach.“ Und die Enttäuschung, dass sie damit kein Publikum fand, hört man sogar noch in den Interviews, die ein wichtiger Baustein des Films sind.

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Berlinale 2015: CHASUKE’S JOURNEY von Sabu

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Was für ein irrer Gedanke: Im Himmel sind Horden von Drehbuchschreibern damit beschäftigt, das Lebensskript eines jeden Menschen auf der Welt zu entwickeln. Manchmal sind sie dabei ein bisschen arg konventionell, dann lautet die göttliche Anweisung: „Mehr Avantgarde!“ Und manchmal kommen sich die Stories gegenseitig in die Quere. Chasuke, dessen Aufgabe es ist, den Schreibern am laufenden Band Tee zu bringen, erfährt, dass eine seiner Lieblingsfiguren, also ein echter Mensch, bei einem Unfall getötet werden soll. Er beschließt, auf die Erde hinab zu steigen und den Lauf der Dinge zu ändern. Was nun folgt, ist ein wilder und fantasievoller Genremix à la Sabu, der noch immer einer der überraschendsten Filmemacher Japans ist. Mit CHASUKE’S JOURNEY beweist er einmal mehr seinen Sinn für intelligente Skurrilitäten.

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Berlinale 2015: MISFIT von Jannik Splidsboel

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Tulsa, Oklahoma liegt mitten im so genannten Bible Belt Amerikas, hat 400.000 Einwohner, 4.000 Kirchen und ein einziges schwul-lesbisches Jugendzentrum. Wie lebt es sich als schwuler Junge oder lesbisches Mädchen in dieser streng gläubigen, zutiefst intoleranten Stadt? Wie kommt man durch den Alltag? Wo findet man Halt? Der dänische Filmemacher Jannik Splidsboel hat drei Jugendliche über einen längeren Zeitraum hinweg begleitet und sich an die Frage herangetastet, was es bedeutet, aufgrund der sexuellen Identität bereits in so jungen Jahren ein geächteter Außenseiter zu sein. MISFITS, der in der Reihe Panorama Dokumente läuft, ist ein ruhiger, unaufgeregter Film, und er erzählt nicht nur von Hass und Intoleranz, sondern auch von sehr viel Liebe.

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Berlinale 2015: VERGINE GIURATA von Laura Bispuri

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Eine Frau hat ihrem Mann zu gehorchen. Sie redet nicht, wenn er redet, sie kocht und putzt und füttert die Tiere, darf aber niemals ein Gewehr in die Hand nehmen. Das sind die strengen Regeln, die in der archaischen Gesellschaft in den Bergen Nordalbaniens gelten. Die junge Hana will so nicht leben. Sie genießt es, allein in den Wäldern umherzustreifen, und sie liebt das Gefühl, eine Waffe abzufeuern. Es gibt einen Ausweg aus der für sie vorgesehenen Frauenrolle: Wenn sie ihrem Frausein abschwört und gelobt, niemals Sex zu haben, darf sie als so genannte „Vergine Giurata“, eingeschworene Jungfrau, existieren – sie wird als Mann behandelt und ansonsten in Ruhe gelassen. Es ist ein einsames Leben, das Hana jetzt als Mark führt. Als ihre Stiefmutter stirbt, macht sie sich auf den Weg nach Mailand, zu ihrer Stiefschwester. Dort beginnt für sie ein tastender Weg in das Leben, das sie tatsächlich führen will. Der Italienerin Laura Bispuri ist mit VERGINE GIURATA ein starker und einfühlsamer Film über ein Leben außerhalb der Norm gelungen.

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BERLINALE 2015: THE THREE MUSKETEERS von George Sidney

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Allein schon wegen der Fotos muss man über die THE THREE MUSKETEERS schreiben. Der Film belegt wieder einmal, dass die wahre Schatztruhe auf den Festivals in den Retrospektiven zu finden ist. Artistik, Albernheit, Tempo: All das kann locker mit heutigen Abenteuerfilmen locker mithalten. Es ist eher so, dass sich FLUCH DER KARIBIK & Co. eine ganze Menge abgeschaut haben.

Auch die Farben sind natürlich toll, schließlich widmet sich die diesjährige Retrospektive dem Thema Technicolor. Die Muskektiere kämpfen in blau gegen die Jecken Richelieus in rot.

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Berlinale 2015: EISENSTEIN IN GUANAJUATO von Peter Greenaway

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Sergej Eisenstein scheiterte 1930 mit Filmprojekten in Hollywood und ging anschließend nach Mexiko, um das Revolutionsdrama Que Vivo Mexico? zu filmen. Financiers waren eine Gruppe von Privatleuten um den Upton Sinclair und seine Frau Mary. Der Film sollte eine Art Reisebericht werden. Peter Greenaway liefert eine fiktive und vor allem hoch subjektive Erzählung von Eisensteins Aufenthalt in Guanajuato vom 21. Bis 31. Oktober 1931. In diesen zehn Tagen dreht sich für den Regisseur alles um zwei Dinge, die Menschen von jeher beschäftigen: Sex und Tod.

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Berlinale 2015: AFERIM! von Radu Jude

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1835, mitten in der unwirtlichen Wallachei. Der alternde Gendarm Constandin und sein halbwüchsiger Sohn Ionita sind auf der Suche nach einem entlaufenen „Zigeunersklaven“, der seinem Herrn, einem reichen Bojaren entlaufen ist. Hoch zu Pferde geht es über Stock und Stein, vorbei an ärmlichen Siedlungen und durch dichte Wälder. Die Gegend wird von Menschen unterschiedlicher Nationalität und Religionen bevölkert: Sie treffen auf Türken und Russen, Rumänen und Ungarn, Zigeuner, Christen, Moslems und Juden. Keiner hat über den anderen etwas Gutes zu sagen. Mit diversen Anspielungen auf klassische Westernfilme hat der rumänische Filmemacher Radu Jude mit AFERIM! einen atmosphärisch dichten Balkan-Western in schwarzweiss auf die Leinwand gebracht. Er stellt den spätfeudalen Balkan als ein Gemisch von Brutalität und Elend, von chauvinistischen und rassistischen Traditionen dar, die immer auch auf die Gegenwart verweisen.

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ÜBER DIE JAHRE von Nikolaus Geyrhalter

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Arbeit ist Existenzsicherung, häufig auch lästig. Was sie tatsächlich bedeutet, auch was sie verhindert, zeigt sich oft am deutlichsten, wenn sie nicht mehr da ist.

2004 besucht der Regisseur Nikolaus Geyrhalter eine Textilfabrik in Niederösterreich und befragt ihre Mitarbeiter. Er findet eine Situation vor, wie man sie Anfang des 21. Jahrhunderts nicht mehr erwarten würde. Menschen verrichten monotone Arbeiten an völlig veralteten Maschinen, deren größter Fortschritt zu sein scheint, dass sie elektrisch betrieben werden. Die Stimmung ist der schlechten Auftragslage entsprechend gedrückt.

2005 muss die Fabrik schließen. Geyrhalter beschliesst, die Dreharbeiten fortzuführen und das Leben von einigen der damaligen Interviewpartner weiter zu verfolgen. Über einen Zeitraum von 10 Jahren holt er sie immer wieder vor die Kamera und befragt sie zu ihrer Lebenssituation.

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Berlinale 2015: FREIRÄUME von Fillipa Bauer

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Die Kinder verlassen das Haus. Die Mütter Sylvia, Marliese, Rosemarie und Marianna erzählen vom Leben danach. Allein die Grundidee von FREIRÄUME ist schon interessant, denn normalerweise wird diese Konstellation von der anderen Seite aus aufgerollt. Der Abnabelungsprozess vom Elternhaus und der damit verbundene Prozess des Erwachsenwerdens ist Grundmotiv in verschiedensten Kunstgattungen. Müttern stehen dabei meist nur im Weg. Wie es Ihnen tatsächlich in dieser Phase des Umbruchs geht, ist selten von Interesse. Filipa Bauer hat mit ihrer Abschlussarbeit an der Kunsthochschule für Medien Köln eine sehr gelungene Umsetzungsform für das Thema gefunden. Gezeigt werden nur menschenleere Aufnahmen von Familienwohnungen, die zu Singlewohnungen geworden sind. In separaten Kapiteln erzählen Sylvia, Marliese, Rosemarie und Marianna aus dem Off. Unterschiede wie auch Parallelen im Umgang mit der neuen Situation treten hervor.

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Berlinale 2015: POD ELECTRICHESKIMI OBLAKAMI (Under Electric Clouds) von Alexey German jr.

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POD ELECTRICHESKIMI OBLAKAMI ist kein Film, deshalb ist dies keine Filmkritik. Die 130 Leinwandminuten nutzt der Regisseur Alexey German jr. nicht um eine Geschichte zu erzählen, sondern lediglich, um eine Ansammlung von Metaphern, Symbolen und Konzepten vorzuführen, die in ihrer Plattheit und Fülle ermüdend sind. Die Handlung des Films ist keine Handlung, sondern nur die Behauptung einer Handlung. Die Charaktere des Films sind keine Charaktere, sondern Platzhalter, die hin- und hergeschoben werden. Die Dialoge sind keine Dialoge, sondern ein Generalbass in Form eines bedeutungsschwangeren Raunens ohne Bedeutung. Die Leinwandminuten summieren sich zu 130 Minuten verlorener Lebenszeit.

Berlinale 2015: EVERY THING WILL BE FINE von Wim Wenders

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Tomas ist ein kanadischer Schriftsteller, der sich zum Schreiben am liebsten so weit wie möglich von seinen Mitmenschen zurückzieht. Deshalb übernachtet er gerne mal in einer Holzhütte auf dem zugefrorenen See, um seine Inspiration nicht durch die Nähe anderer zu gefährden. Auch in seiner Beziehung scheint das Konzept „Nähe“ vermintes Gelände zu sein. Als Tomas eines Abends über die verschneiten Straßen nach Hause fährt, geschieht ein tragischer Unfall, bei dem ein kleiner Junge stirbt. Wim Wenders EVERY THING WILL BE FINE folgt nun den Protagonisten – Tomas, der Mutter und dem Bruder des toten Jungen und Tomas’ wechselnden Freundinnen – über ein Jahrzehnt hinweg dabei, wie sie mit dieser Katastrophe umgehen. Herausgekommen ist dabei ein leiser und melancholischer Film, der allerdings Tomas’ Problem teilt: So richtig kommt man an ihn nicht heran.

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Berlinale 2015: SUPERWELT von Karl Markovics

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SUPERWELT beginnt mit schönen Beobachtungen aus einem Kleinstadtsupermarkt. Die Regale sind voller bunter Produkte, das ständige Piepen des Barcodescanners ist ein Meeresrauschen im Kleinstadtalltag und dann in Großaufnahme die Hauptfigur des Films: Kassiererin Gabi Kovanda. Nach der Arbeit steigt Gabi in ihren Kleinwagen und in einer großartigen Kameraeinstellung aus Vogelperspektive sehen wir, wie sie durch das gleichförmige Raster ihrer Kleinstadtsiedlung nach Hause fährt. Es folgt ein Einblick in ein durchritualisiertes Leben, wie es stellvertretend für viele steht: Ermahnung des videospielenden, erwachsenden Sohns, Papiertaschentücher nicht mit in die Wäsche zu geben, ein bisschen Magerquark mit Crackers zum Mittag (weil man sein Gewicht reduzieren will) und als unterstützende Maßnahme ein Aerobic Kurs an der Volkshochschule.

Gabi wird aus ihrer Routine gerissen, als sie beginnt, Stimmen zu hören. Erst aus dem Kühlschrank, dann an der Kasse und am Ende fast ohne Unterbrechung. Damit beginnt nicht nur das Problem von Gabi, sondern auch von SUPERWELT, denn die Stimme ist niemand anderes als: Gott!

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Berlinale 2015: KNIGHT OF CUPS von Terrence Malick

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KNIGHT OF CUPS von Terrence Malick beginnt poetisch. Eine Erzählerstimme aus dem Off berichtet von einem Königssohn, der von seinem Vater auf eine lange Reise geschickt wird, um dort eine Perle zu finden. Zwar bricht der Prinz erfolgreich auf, mitten auf seiner Reise vergisst er dann aber seine Mission und er vergisst schließlich auch, wer er ist. Damit ist das Grundmotiv des Films vorgegeben und auch die eigentliche Story von KNIGHT OF CUPS lässt sich in wenigen Worten umreißen.

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Berlinale 2015: EL CLUB von Pablo Larraín

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Vier Priester und die Nonne Schwester Monica leben in einem heruntergekommenen Haus in einem armseligen Kaff irgendwo an der chilenischen Küste. Drei der Priester trainieren einen Greyhound für Rennen. Der Hund ist schnell und hat schon einiges an Preisgeld gewonnen. Dann schickt die Kirche Priester Matias, der auch in das Haus einziehen soll. Als die Schwester dem Neuankömmling die Hausordnung vorliest und der wütend protestiert, wird deutlich: Die Mitglieder dieser Priester-WG haben sich schwerer Vergehen schuldig gemacht und wurden deshalb von der Kirche an diesen einsamen Ort geschickt.

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Berlinale 2015: BODY von Malgorzata Szumowska

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Ein Mann hat sich an einem Baum erhängt. Als die Spurensicherung ihn bereits von allen Seiten fotografiert und vom Ast geschnitten hat, rollt er sich auf einmal zur Seite und spaziert seelenruhig aus dem Bild. Wie bitte? So frech, wie die polnische Regisseurin Malgorzata Szumowska in den ersten fünf Minuten mit unserer Wahrnehmung und Erwartungshaltung spielt, wird sie auch die kommenden 85 Minuten von BODY damit fortfahren. Um es gleich vorweg zu nehmen: Es sind großartige 90 Minuten! Selten ist ein im Grunde so tragisches Thema wie der Verlust eines geliebten Menschen und die damit einhergehende Einsamkeit der Zurückgebliebenen auf so ungewöhnliche, skurrile und doch zutiefst menschliche Weise im Film gezeigt worden.

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Berlinale 2015: ALS WIR TRÄUMTEN von Andreas Dresen

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Wovon träumen Teenager in der Nachwendezeit in Leipzig? Im Grunde davon, wovon andere Jungs auch träumen: Mädchen, Musik, Boxerkarriere. Unter dem Brennglas des Systemwechsels betrachtet, nehmen diese Träume jedoch andere Schattierungen an als, beispielsweise, vergleichbare Wunschvorstellungen in Stuttgart. Der Autor Clemens Meyer hat diese besondere Stimmung 2006 in einem Roman einzufangen versucht, der Regisseur Andreas Dresen hat nun gemeinsam mit Drehbuchschreiber Michael Kohlhaase ALS WIR TRÄUMTEN auf die Leinwand gebannt. Der Film hat einige schöne Momente und ein paar richtig gute Dialoge – insgesamt hinterlässt er aber eher ein schales Gefühl. Was, so fragt man sich, soll denn nun das Besondere an dieser Geschichte sein? Und warum wird sie mir überhaupt erzählt?

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WOCHE DER KRITIK: Dān Shēn Nán Nǚ Er (DON'T GO BREAKING MY HEART 2) von Johnnie To

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Zunächst wünscht man sich DON'T GO BREAKING MY HEART 2 in das Programm der offiziellen Berlinale. Früher hatte das Hong Kong-Kino eine Heimat in der Sektion Forum. Vor vielleicht 15 Jahren wäre JONNIE TO's neuester Film vielleicht auch eine sichere Wahl gewesen. So nutzt die WOCHE DER KRITIK die Vorlage und unterstreicht mit der Europapremiere von DON'T GO BREAKING MY HEART 2 seine Daseinsberechtigung.

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WOCHE DER KRITIK: Aufstand der Kritiker

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Bereits seit einigen Jahren gibt unter einigen Film-Kritikern Unmut über die Entwicklung des Berlinale-Programms. Eine fruchtbar und offen geführte Auseinandersetzung mit der Berlinale Leitung scheint aber schwierig. Die Teilnahme an einer Diskussionsveranstaltung im Jahr 2011 sagte Dieter Kosslick nachträglich ab, da der Titel der Veranstaltung („Nach den Verrissen“) bereits die Wertung der Situation vorwegnahm. Auch danach wurde die Kritik direkt und oft auch undiplomatisch vorgetragen. Besonders an Festivalleiter Dieter Kosslick hat man sich festgebissen.

Nörglern jeder Art entgegnet man gerne: "Dann macht es doch selbst". Mit der "Woche der Kritik" hat nun der Verband der deutschen Filmkritik mit Unterstützung der Heinrich Böll Stiftung den Worten Taten folgen lassen.

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Berlinale 2015: VICTORIA von Sebastian Schipper

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Der Bass pumpt, das Stroboskoplicht blendet und Victoria (Laia Costa) tanzt. Victoria ist mitten drin am Berliner Nachtleben und wir auch – durch das Kameraauge von Sturla Brandth Grøvlen. In den nächsten 140 Minuten gibt es keinen Schnitt. Danach hat sich alles verändert für Victoria aus Madrid und die vier Berliner Mackertypen Sonne, Boxer, Blinker und Fuß. Die trifft Victoria morgens um vier vor dem Club und lässt sich von Sonne bequatschen, „real Berlin, we’ll show you“ zu erleben.

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Berlinale 2015: MR. HOLMES von Bill Condon

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Sherlock ist in die Jahre gekommen. Mit 93 Jahren wird selbst sein so messerscharfer Verstand allmählich alterstrübe. Namen und Ereignisse entfallen ihm, und der elegante Spazierstock ist nicht länger nur eitles Zierwerk, sondern notwendiges Hilfsmittel. Inzwischen lebt er zurückgezogen auf seinem Landsitz in Sussex, alles könnte friedlich und entspannt sein – doch die Geister der Vergangenheit lassen dem Meisterdetektiv keine Ruhe. Eine schwere Schuld lastet auf seinem Gewissen. Leider kann er sich bei aller Seelenqual nicht mehr erinnern, warum dies so ist. Mit MR. HOLMES ist Bill Condon ein wunderbarer Film über das Altern, über Fakten und Fiktion, Einsamkeit und Nähe gelungen. Obwohl er ein würdiger Kandidat um den einen oder anderen Bären gewesen wäre, läuft der Film im Wettbewerb außer Konkurrenz.

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Berlinale 2015: DIARY OF A CHAMBERMAID von Benoit Jacquot

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Benoit Jacquot ist eigentlich sehr gut darin, Kostümfilme gegen den Strich zu bürsten: Im besten Fall gewinnen wir dadurch einen ungewöhnlichen Blick auf eine Epoche, die uns durch unzählige Kostümschinken bereits allzu vertraut erschien. Dies gelang ihm etwa, trotz aller Schwächen, mit FAREWELL MY QUEEN (Berlinale 2012). In DIARY OF A CHAMBERMAID erliegt er jedoch selbst den Klischees, die herauszufordern er sich – hoffentlich – zum Ziel gesetzt hatte. Die Bediensteten im Frankreich der vorigen Jahrhundertwende sind entweder treu ergeben oder aufmüpfig, die Dienstherren lüstern, die Madames bösartig oder aber herzensgut. Dazwischen wird bedient, gevögelt, abgetrieben und ein bisschen gemordet, und am Schluss sind wir so schlau wie schon zuvor.

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Berlinale 2015: 45 YEARS von Andrew Haigh

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Was wäre wenn? Welche Entwicklung hätte das eigene Leben genommen, wenn in der Vergangenheit bestimmte Ereignisse anders verlaufen wären? Waren die getroffenen Entscheidungen wirklich die Richtigen? Gibt es auch in einer langjährigen Beziehung noch Liebe oder hält vor allem die Gewohnheit vieler Jahre zusammen? Mit diesen existenziellen Fragen muss sich die Hauptfigur Kate in 45 YEARS beschäftigen, als ein Brief an ihren Ehemann sie in eine längst abgeschlossen geglaubte Vergangenheit katapultiert.

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Berlinale 2015: ZURICH von Sacha Polak

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Wie verfilmt man den Schmerz, wenn einem die große Liebe des Lebens genommen wird. Sacha Polak hat eine Antwort gefunden. Sie zersetzt die Geschichte von Nina gekonnt in Einzelszenen, mischt sie neu und erzählt dann die Geschichte unabhängig von der Reihenfolge der realen Ereignisse. Es ist vielleicht auch die einzig geeignete Erzähltechnik, um die plötzliche Losgelöstheit und das davon schweben in die Dunkelheit spürbar zu machen. Es ist so, als ob jemand den Schwerelosigkeitsbutton gedrückt hat.

ZURICH ist ein konzentriertes Filmstück mit einprägsamen Bildern. Dazu macht die starke Verkörperung von Nina durch Wende Snijders jede Minute sehenswert.

Berlinale 2015: QUEEN OF THE DESERT von Werner Herzog

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Wer hätte das gedacht: Werner Herzog macht einen epischen Liebesfilm. Er macht das sehr gut. QUEEN OF THE DESERT ist unterhaltsam, gut erzählt und brillant gefilmt. „Watching a master tackling something new“, sagte Nebendarsteller James Franco in der Pressekonferenz zu seinen Erfahrungen beim Dreh. Die Königin der Wüste ist die englische Historikerin, Archäologin und Diplomatin Gertrude Bell (Nicole Kidman). Sie flieht Anfang des 20. Jahrhunderts aus der Ödnis und der Enge des viktorianischen Englands in den Mittleren Osten.

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Berlinale 2015: Lässig

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Wenn jemand aus Deutschland den Oscar moderieren könnte dann Anke Engelke. Spontan und mit viel Witz führte Sie durch die Eröffnungsveranstaltung. Zumindest im ersten Teil des Abends konnte Sie voll aufspielen. Wie sie mit James Franco "flirtete", dem neuen Bürgermeister wegen seines "außergewöhnlichen Namens" einen Seitenhieb versetzte oder Udo Kiers Begleiterin Freudsche Versprecher entlockte: sie einfach ein großes Glück für die Berlinale.

Berlinale 2015: NOBODY WANTS THE NIGHT von Isabel Coixet

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Zwei Frauen im Schnee. In der Nähe des Nordpols, zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Die eine, Mrs. Peary, ist die amerikanische Gattin eines Polarforschers, die andere eine junge Eskimofrau namens Alaka. Beide warten auf denselben Mann. Der Eröffnungsfilm des Wettbewerbs, NOBODY WANTS THE NIGHT, hätte ein packendes Kammerspiel im ewigen Eis werden können, zumal eine der beiden Damen von Juliette Binoche gespielt wird. Dabei herausgekommen ist jedoch ein langatmiges, stets den moralinsauren Zeigefinger hebendes Stück Kitsch.

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