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DIE LAGE von Thomas Heise

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Er kommt. Seine Heiligkeit kommt. Der Heilige Vater kommt. Der Papst kommt, beziehungsweise er kam – am 23. September 2011 nach Thüringen. In DIE LAGE beschäftigt sich Thomas Heise filmisch mit den Vorbereitungen am Flugplatz und am Erfurter Dom, aber er dreht auch während des Besuchs selbst. Heise zeigt in ruhigen Bildern, wie eine sehr präzise Inszenierungsmaschine anläuft, die durch detaillierte Planung die Grundlage für ein kollektives Erlebnis schaffen soll.

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KOZOKU NO KUNI (Our Homeland) von Yang Yonghi

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Nationalismus wie eigentlich die allermeisten -ismen sind Schwachsinn. Sie haben Millionen von Menschen das Leben gekostet oder sehr, sehr erschwert. In diesem Film wird dem Zuschauer aus dem Leben der Exilkoreaner in Japan erzählt. Nord-Koreanische Exilanten, von denen viele Zehntausend ab Ende der 50er Jahre zurück in ihre Heimat gingen - und seitdem dem irrwitzigen und grotesken Kommunismus des Il-Clans ausgeliefert sind.

Der sehr bewegende, eindringliche Film erzählt die Geschichte eines jungen Mannes, der nach 25 Jahren wieder seine Familie in Japan besuchen darf, um sich einer medizinischen Behandlung zu unterziehen. Sein Vater - noch immer überzeugter Kommunist - hatte ihn damals nach Nordkorea geschickt. Eine biblisch anmutende Geschichte ist das, wie bei Abraham, der seinen Sohn Isaak opfern sollte - es aber am Ende nicht musste, weil Gott nur sehen wollte, das er es tun würde. In diesem Film wird jedoch niemand verschont.

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NUCLEAR NATION von Funahashi Atsushi

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Am 11. März 2011 zerstören die Fluten des Tsunami 90 Prozent der Gebäude der japanischen Kleinstadt von Futuba, eine Stadt mit rund 7.500 Einwohnern. Futuba liegt direkt neben dem Atomkraftwerk Fukushima mit seinen insgesamt sechs Reaktorblöcken. In den Morgenstunden des 12. März kommt es im ersten Block zu Kernschmelze. Um 10.09 Uhr, meldet die Betreiberfirma TEPCO das Austreten von Nuklear kontaminiertem Dampf. Futuba liegt vollständig in der Zone, die daraufhin evakuiert wird. Der Filmemacher Funahashi Atsushi liest, dass in der Zeitung, dass mehr als 1.400 Einwohner in einer Schule untergebracht werde, die eineinhalb Stunden von Tokio entfernt liegt. Er beschließt, jeden Tag zu der Notunterkunft zu fahren. Er beginnt, die Evakuierten zu interviewen und auch zu filmen. Erst nur vor dem Gebäude, einige Wochen später bekommt er auch eine Drehgenehmigung. Aus Diesen Gesprächen wird für Atsushi ein Langzeitprojekt. Selbst die 145 Minuten von NUCLEAR NATION sind erst ein Zwischenergebnis. 145 Minuten sind eine lange Zeit für gerade für einen Dokumentarfilm, aber keine einzige Minute davon ist langweilig: Wir erfahren viel, nicht nur über persönliche Schicksale oder die zum Teil grotesken Verhältnisse in denen die Menschen in dieser Schule leben, sondern auch über organisatorisches Versagen und Hilflosigkeit derer, die immer versichert haben, dass die Risiken der Atomkraft beherrschbar sind.

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KASHI (Choked) von Kim Joong-hyun

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Wir leben in einem Netz von Beziehungen. Wenn eine Figur in diesem Netz fällt, dann spürt jeder die Erschütterungen. Ohne eigenes Verschulden kann uns ein Sog nach unten ziehen.

In der Regel sind es die Eltern, die aufgrund der Verirrungen ihrer Kinder kein ruhiges Leben führen können. In KASHI ist es dagegen die Mutter, die ihren erwachsenen Kindern einiges zumutet. Sie ist eines Tages verschwunden. Der Grund: Sie steckt bis zum Hals in Schulden. Nach der Flucht muss sich ihr Sohn Youn-ho (Um Tae-go) mit den Gläubigern herumschlagen. Diese lauern ihn auf oder dringen sogar in seine Wohnung ein. Als auch eine zwielichtige Gestalt ihn unter Druck setzt, beginnt Youn-ho´s anfängliche Ruhe zu schwinden. Die Verwicklungen stellen jetzt auch die Beziehung zu der Frau, die er bald heiraten möchte, infrage.

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BESTIAIRE von Denis Côté

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Regisseur Denis Côté macht es auffallend Spass, die Zuschauer zu irritieren. Das merkt man spätestens, wenn von einer 200qm Leinwand zwei Minuten lang in Nahaufnahme ein Wasserbüffel herunterschaut.

Côté hat Tiere in einem Afrika-Safaripark gefilmt: Zebras, Elefanten, Löwen, Antilopen, Lamas. Größtenteils werden die Tiere in ihren Käfigen gezeigt. Außerdem hören wir in einigen Szenen, wie sie mit ihren Hufen und Tatzen gegen die Käfigtüren schlagen. Es entsteht eine beunruhigende Atmosphäre, die man aus diversen Gefängnisfilmen kennt.

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FRANCINE von Brian Cassidy und Melanie Shatzky

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Die ersten Minuten versprechen narratives amerikanisches Autorenkino, der gehobenen Art. Ausdrucksstarke Schauspielerin (Melissa Leo) und harte, bewegende Geschichte fern von Happy End und Feelgood der Hollywood Baukastenfilme. Francine kommt aus dem Gefängnis, wie lange und warum sie dort war, erfahren wir nicht. Sie spricht nicht oder nur das Nötigste. Ihr Gesicht ist verhärmt und meist unbeweglich. Ausser, wenn sie mit Tieren spricht, dann blüht sie auf.

Sie stolpert von Job zu Job, weil sie bestimmte Leute zu meiden beginnt. Solche nämlich die ihr guttun, sie wieder in die Spur bringen könnten. Stattdessen entwickelt sie sich zum Tier-Messi, lebt mit dutzenden Viechern in dem bald total runtergekommenen Trailer. Anstatt sich den Menschen und der Welt, in die sie aus dem Gefängnis entlassen wurde, zuzuwenden, wendet sie sich ab. Das kann nicht gutgehen.

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PARABETON - PIER LUIGI NERVI UND RÖMISCHER BETON von Heinz Emigholz

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Heinz Emigholz macht keine Filme über Architektur. Er macht Architekturfilme. Im Gegensatz zur etablierten Architekturfotografie ist das Genre des Architekturfilms Neuland und Heinz Emigholz kann für sich beanspruchen, es massgeblich zu prägen.

Emigholz stellt in PARABETON die Bauten des Architekten Pier Luigi Nervi den römischen Großbauten aus der Zeitenwende gegenüber. Gemeinsam ist beiden Stilen die massgebliche Verwendung von Beton als Baumaterial. Emigholz erkundet die Gebäude aus verschiedenen Perspektiven mit festen Einstellungen. Einen Kommentar gibt es nicht. Hintergrundgeräusche wie das Flattern von Tauben in der Stille der verlassenden Industriekomplexe bilden eine Soundcollage zu den Bildern.

Das Faszinierende ist: es funktioniert.

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PAZIRAIE SADEH (Modest Reception) von Mani Haghighi

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Der Film lässt einen eigenartig aufgewühlt zurück. Ein bisschen genervt und unbefriedigt auch. Da sind dieser Mann und die Frau in einem teuren Auto. Sie kurven durch die Berge im Grenzgebiet von Iran und Afghanistan und verschenken aus ihrem Kofferraum heraus Geldsäcke an jeden, der ihnen begegnet in dieser menschenleeren Gegend. Am Anfang spielen sie noch ein lustiges Spiel, als streitendes Ehepaar vor Soldaten, erzählen wilde Geschichten über ihr Absichten und bewerfen die Soldaten mit Geld, kreischend vor Lachen. Aber jede Begegnung mit den bitterarmen Leuten in den Bergen macht ihr Spiel böser, zynischer, abartiger. Bis es restlos alle beschädigt zurücklässt.

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42. Forum der Berlinale: Soziales, politisches, menschliches Kino

Das 42. Forum der Berlinale zeigt insgesamt 38 Filme im Hauptprogramm, davon 26 als Weltpremiere und weitere acht als internationale Erstaufführungen. Neben zahlreichen Filmen des europäischen Kinos zum Beispiel aus Frankreich, den Niederlanden, Österreich, Polen, Russland, Rumänien, Schweden, Spanien, der Tschechische Republik und der Türkei sind Produktionen aus allen Teilen der Welt vertreten. Auch der Nahe Osten, der noch mehr als in den vergangenen Jahren die politische Aufmerksamkeit auf sich zieht, ist mit mehreren Produktionen vertreten.

Im Mittelpunkt des jordanischen Spielfilms AL JUMA AL AKHEIRA (The Last Friday) von Yahya Alabdallah steht ein Taxifahrer in Amman, der versucht, neue Ordnung in sein schwieriges Leben zu bringen. Der Dokumentarfilm BAGRUT LOCHAMIM (Soldier / Citizen) konfrontiert die Zuschauer mit den unversöhnlichen Ansichten junger Israelis. Mani Haghighis Spielfilm PAZIRAIE SADEH (Modest Reception) dagegen erzählt von einem reichen Paar, das in der iranischen Provinz Plastiksäcke voller Geld verteilt.

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