Perspektive Deutsches Kino

Zirkus is nich

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"Zirkus is nich" von Astrid Schult (Perspektive Deutsches Kino)

Schade dass der Film selbst schon Zirkus is nich heißt: Sonst hätte ich das als Überschrift für diese Kritik gewählt. Der Titel ist so genial wie der Film: Eine bessere Kurzzusammenfassung gibt es auch nicht. Wer in Berlin wohnt, und von einem Dokumentarfilm hört, der „Zirkus is nich“ heißt und der in Hellersdorf spielt, vor dessen innerem Auge erscheint schon die Szenerie: Hartz IV, triste Plattenbauten, Armut, eine gute Portion Trostlosigkeit, RTL-Talkshow-Familien, vernachlässigte Kinder...

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Ein glückliches Leben ist möglich aber unwahrscheinlich

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„AlleAlle“ von Pepe Planitzer (Perspektive Deutsches Kino)

Für Hajo Domühl (Milan Peschel) läuft es nicht. Er ist ein Säufer, macht gerade mit seiner Gerüstbaufirma pleite und jetzt sitzt er volltrunken in seinem Wagen auf der Landstraße irgendwo im gottverlassenen Brandenburg und die Karre verreckt. Auf einmal ein Wunder: Die alte Mühle fährt wieder, allerdings nur durch Muskelkraft bewegt. Hagen (Eberhard Kirchberg) schiebt. Hagen ist ein Baum von einem Kerl. Hagen schiebt Domühl wie ein Berseker über fünf Kilometer, was auch damit zu tun hat, dass Hagen geistigbehindert ist. Am Nachmittag hat in das Heim losgeschickt, er soll jetzt bei seinem Onkel wohnen. Doch den findet Hagen nicht, stattdessen landet er mit seiner Käfigmaus in Domühls versiffter Wohnung mitten im Nichts in südlich von Berlin.

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Ein glückliches Leben ist möglich aber unwahrscheinlich

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„AlleAlle“ von Pepe Planitzer (Perspektive Deutsches Kino)

Für Hajo Domühl (Milan Peschel) läuft es nicht. Er ist ein Säufer, macht gerade mit seiner Gerüstbaufirma pleite und jetzt sitzt er volltrunken in seinem Wagen auf der Landstraße irgendwo im gottverlassenen Brandenburg und die Karre verreckt. Auf einmal ein Wunder: Die alte Mühle fährt wieder, allerdings nur durch Muskelkraft bewegt. Hagen (Eberhard Kirchberg) schiebt. Hagen ist ein Baum von einem Kerl. Hagen schiebt Domühl wie ein Berseker über fünf Kilometer, was auch damit zu tun hat, dass Hagen geistigbehindert ist. Am Nachmittag hat in das Heim losgeschickt, er soll jetzt bei seinem Onkel wohnen. Doch den findet Hagen nicht, stattdessen landet er mit seiner Käfigmaus in Domühls versiffter Wohnung mitten im Nichts in südlich von Berlin.

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Unser Lehrer Herr Grothe oder: Der sanfte Prinzipal

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"Guten Morgen Herr Grothe" von Lars Kraume (Panorama)

Wo James Belushi 1987 in "Der Prinzipal" mit Baseballschläger als Lehrer an einer Highschool mit den verlotterten Sitten aufräumte oder als Gegenentwurf Robin Williams in "Club der Toten Dichter" die Schüler zu begeisterten Lesern machte, so ist der überforderte, der leidenschaftliche, der raubeinige Lehrer in allen Abstufungen schon vielfach Thema für Kinofilme gewesen.
In „Guten Morgen Herr Grothe“, dem neuen Film von Lars Kraume (Keine Lieder über Liebe), ist es der idealistische Lehrer Michael Grothe (Sebastian Blomberg) und Deutsch sein Fach an einer Berliner Hauptschule.
Die Klasse ein Potpourries des Einwanderungslandes Deutschland und ein Mix der für dieses Genre typischer Klassencharaktere. Die stoische Dauerwalkmanhörerin (heute mit ipod), der stille Asiate, der auf die Fresse kriegt, der romantische Russlanddeutsche, die Clowns, frühreifen Früchtchen, die Störenfriede, Streber und geistig Abwesenden. Und dann ist da wie in jedem Film der eine, der das Klassenklima prägt und an dem sich alle die Zähne ausbeissen: Nico (Ludwig Trepte).

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Ruhrpottcharme allein reicht nicht immer

"Autopiloten" von Bastian Günther (Perspektive Deutsches Kino)

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Ein Episodenfilm-Roadmovie im Ruhrpott, das klingt für einen, der „von da wech“ kommt wie mich sehr reizvoll. Ein bisschen Heimweh bekomm ich ja schon, wenn es im Deutschlandfunk heißt: „Und nun die Staus ab 5 Kilometer: Auf der A 45 Westhofener Kreuz Richtung Dortmund und auf der A 2 Kamener Kreuz Richtung Dortmund 12 Kilometer stockender Verkehr...“
Stockender Verkehr ist auch ein Begriff, den man auf die Leben der vier Protagonisten anwenden kann: ihr Leben ist ins Stocken geraten und schon im Sinkflug. Der Crash droht, was im Film auch etwas zu plakativ mit einem entführten Flugzeug symbolisiert wird, das über dem ruhpöttischen Luftraum kreist. Alle vier Figuren bekommen das irgendwann mit und wie die Gallier, die nur Angst haben, dass ihnen der Himmel auf den Kopf fällt, scheinen diese Männer eine ganze Weile vor nichts Angst zu haben und meinen: „Dat wird schon werden!“ Wird’ aber nicht.

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"Rückblickend ist es ja fast irrelevant, ob es eine glückliche oder eine unglückliche Reise war"

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Ein Interview mit Sonja Heiss, Regisseurin von "Hotel Very Welcome" (Perspektive deutsches Kino)

Festivalblog: Ein junger Künstler soll sich ja in seinem Erstling angeblich am besten mit Dingen beschäftigen, die er gut kennt. Wie kommt man also darauf, seinen ersten Spielfilm in Indien und Thailand zu drehen?

Sonja Heiss: Ich bin selbst viel gereist und der Co-Autor und Kameramann, der auch mein Freund ist, wir sind auch zusammen viel gereist. Auf einer Reise ist dann die Idee entstanden, dass man doch mal einen Film über Traveller in Asien machen müsste. Das sollte ein Film werden, der den Traveller nicht mehr so heroisiert. Es geht ja nicht mehr darum, Abenteuer zu bestehen. Mit dem Lonely Planet in der Tasche ist das alles nicht mehr so schwierig. Das Abenteuer ist oft nur man selbst.

fb: Gab es Probleme bei der Finanzierung? Ich stelle mir vor, wenn man dem ZDF oder dem Filmfond Bayern sagt: „Ich will ein paar Monate mit Schauspielern durch Indien und Thailand reisen und einen Film machen“, sagen die da nicht, „Aha, wir sollen Euch also eine schöne Reise finanzieren?“

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15jährige Mädchen in Berlin, und alles echt

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"Prinzessinnenbad" von Bettina Blümner

Es ist Sommer in Kreuzberg. Mina, Klara und Tanutscha bewegen sich durch ihren Alltag. Sie tun das, was man mit 15 tut: sie telefonieren mit irgendwem, sie sitzen im Park, in der Kneipe, im Internetcafe, sie gehen zur Schule, sie arbeiten, sie sind unterwegs, sie hängen ab. Orte sind angefüllt, wenn man 15 ist.
Die untergehende Sonne eines heißen Sommertags beleuchtet den Strom der Autos am Kottbusser Tor. Die laute Musik dazu verstärkt die gute Laune im Kinosessel. Das ist das Leben, sagt der Film und ich glaube ihm. Dieser Dokumentarfilm macht Spaß.

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Lonely Planet Asia: Ich Reise, also bin ich NICHT ich

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"Hotel Very Welcome" von Sonja Heiss (Perspektive Deutsches Kino)

Mein erster Film der diesjährigen Berlinale erwies sich als Glücksgriff: humorvoll, vielschichtig, eigenwillig und nicht gewollt oder verkünstelt, wie es Filmhochschulfilme manchmal sind.
„Hotel Very Welcome" spielt in Indien und Thailand. Wow - schöne Drehorte für einen Akademiearbeit denkt der Neidhammel - hat da jemand die Filmerei als Vorwand genommen, um zu reisen und versucht, mit exotischen Bildern eine schwache Geschichte zu kaschieren? Dieses Vorurteil wird vom Film schnell widerlegt. Es ist kein Reisefilm, sondern.....

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Die Wirklichkeit da draußen - 4 Dokumentarfilme in der Perspektive

Vier Dokumentarfilme komplettieren das Programm der Perspektive Deutsches Kino: Drei davon beschäftigen sich mit sozialen Problemen in Berlin und Hamburg: Zum einen "Zirkus is nich" von Astrid Schult, der von einem Jungen in Berlins Wildem Osten erzählt, der viel zu früh erwachsen werden muss. Dann "Prinzessinnenbad" von Bettina Blümner, die für ihren Titel das bekannte "Prinzenbad" in Kreuzberg umbenannt hat, um sich drei Mädchen aus der Gegend um das Kottbusser Tor zu widmen, einem sozial und ethnisch sehr gemischten Bezirk der Stadt. Der Film "Osdorf" von Maja Classen dagegen schaut dann nicht auf die Mädchen, sondern auf ein paar Jungs in Hamburg: drei von ihnen mit Migartionshintergrund, wie das neu-deutsch und schrecklich abstrakt heißt.
Der vierte Dokumentarfilm in der Perspektive hat dann ein ganz anderes Thema: Das Kino selbst nämlich und einen seiner berühmtesten deutschen Vertreter: Wim Wenders. Marcel Wehns Film "Von einem der auszog - Wim Wenders frühe Jahr" hat sich - wie der Titel schon sagt - mit den älteren Werken von Wenders beschäftigt und offenbar so manchen Wegbegleiter und den Meister selbst vor die Kamera bekommen. Wir dürfen gespannt sein.
Außerdem wurden auch die letzten beiden Spielfilme des Programms benannt: Claudia Lehmanns Kurzfilm "Memoryeffekt" in der eine Frau an Albträumen leidet und siche einer darin vorkommenden anderen Frau annähert. Und der Episodenfilm von Sonja Heiss "Hotel Very Welcome", in dem fünf junge "Backpacker" in Thailand und Indien eine sinnlose Suche nach ihrem Selbst veranstalten oder das "wahre" Asien kennenlernen wollen, aber nicht wirklich etwas erreichen.

6 Filme für Perspektive Deutsches Kino

Als einer seiner ersten Schritte bei seinem Amtsantritt 2001 hat Dieter Kosslick die Gründung der Sektion „Perspektive Deutsches Kino“ veranlasst. Kosslicks eigene Leidenserfahrung als Leiter der Filmstiftung NRW mag da eine Rolle gespielt haben, denn seit Bestehen der Berlinale wurde die Festspielleitung immer wieder von der deutschen Filmlobby kritisiert, es würden nicht genug deutsche Filme auf der Berlinale gezeigt.

In den 6 Jahren ihres Bestehens hat sich die „Perspektive Deutsches Kino“ unter der Leitung von Alfred Holighaus erfolgreich als Plattform des deutschen Filmnachwuchses etabliert. Filme wie „Fickende Fische“, „Muxmäusschenstill“ oder „Netto“ hatten hier ihre Premiere.
Für Berlinale 2007 stehen bereits die Hälfte der für die Sektion eingeladenen Filme fest. Wieder sind überwiegend Arbeiten von Absolventen der deutschen Filmhochschulen.

Bastian Günther greift mit seinem Langfilmdebüt „Autopiloten“ ein Thema auf, das er bereits in seinem prämierten Kurzfilm „Ende einer Strecke“ umgesetzt hat: Die Autobahn als Schauplatz deutscher Komödien und Tragödien.

Einem anderen Verkehrsknotenpunkt hat sich Ben von Grafenheim ausgesucht. "Blindflug" ist eine Liebesgeschichte am Flughafen.

Ebenfalls ihr Debüt feiert Julia von Heinz mit „Was am Ende zählt“ und widmet sich wie schon „Lucy“ auf der Berlinale 2006 dem Problemthema ungewollte Schwangerschaft bei Jugendlichen.

Auch wenn der eingeladene Spielfilm „Alle Alle” erst der zweite Lang-Spielfilm von Regisseurs Pepe Planitzer ist, wirkt dieser schon wie ein alter Hase. Er wurde bereits 2003 für sein Debüt „Ein Schiff wird kommen“ für den deutschen Kamerapreis nominiert.

Um für Arbeiten der Filmhochschulen möglichst offen zu sein, werden die formalen Beschränkungen in der Sektion „Perspektive Deutsches Kino“ bewusst niedrig gehalten. So finden auch die beiden halbstündigen Hochschulfilme „Aschermittwoch“ von Ileana Cosmovici (HFF München) und „Aufrecht stehen“ von Hannah Schweier (Filmakademie Ludwigsburg) hier ihren Platz.

Die restlichen Filme der Sektion werden Mitte Januar bekannt gegeben.

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