WHEN A FARM GOES AFLAME von Jide Tom Akinleminu (Berlinale 2021)

When_a_farm_goes_aflame_2.jpg
© Jide Tom Akinleminu

Zu Beginn seines Films stellt Jide Tom Akinleminu zwei Fragen: „Warum hat mein Vater nie die Wahrheit gesagt?“ und „Warum hat meine Mutter nie Fragen gestellt?“ WHEN A FARM GOES AFLAME erzählt die Geschichte einer Ehe: Akin, der Vater des Regisseurs, ist Nigerianer, die Mutter Grete Dänin. Die beiden lernten sich in Dänemark kennen und zogen nach der Heirat 1974 nach Nigeria. Dort lebten sie bis 1991 mit ihren drei Kindern – Akin hatte eine Hühnerfarm, Grete arbeitete als Lehrerin. 1991 ging Grete mit den Kindern wegen der politischen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten in Nigeria mit den Kindern nach Dänemark. Akin folgte 1992, ging aber nach kurzer Zeit wieder nach Nigeria zurück. Anschließend führte das Paar für mehr als zwei Jahrzehnte eine Fernehe, die zerbrach, nachdem ihr Sohn Jide ein Geheimnis aufdeckte.

Der erste Film von Jide Tom Akinleminu hieß PORTRAIT OF A LONE FARMER (2013) und war ein Film über seinen Vater. Beim Dreh für diesen Film fand er 2010 heraus, dass sein Vater in Nigeria eine zweite Familie gegründet hatte, ohne jemals mit seiner Mutter darüber zu sprechen. WHEN A FARM GOES AFLAME ist der Versuch des Regisseurs, die am Anfang gestellten Fragen zu beantworten. Wir hören Auszüge aus Briefen im Laufe der Ehejahre, wir verfolgen Gespräche zwischen Mutter und Sohn in Dänemark und Vater und Sohn in Nigeria. Akinleminu besucht seinen Halbruder, der in Edmonton studiert: Dabei stellt sich heraus, dass die Familie in Nigeria von der Familie in Dänemark wusste, aber umgekehrt war das nicht der Fall. Heute will der Halbbruder nicht über die Vergangenheit reden.

Auch Grete beantwortet die Frage ihres Sohnes, warum sie selbst nie Fragen gestellt habe, nicht wirklich. Einmal sagt sie über sich selbst: „Man kann so verständnisvoll sein, dass man einen Teil von sich tötet.“ Und später im Film, als es um die Scheidung geht, in die ihr Mann nicht einwilligen will: „Wenn er keine Scheidung will, sollte er mein Mann sein.“ Aber Grete ist nun klar, dass Akin das schon lange nicht mehr war. Kurz nach ihrer Ankunft in Dänemark vor 30 Jahren hatte Grete in einem Brief geschrieben: „Wir sind noch zusammen, auch wenn wir getrennt sind.“ Dieser Wunsch ist nicht in Erfüllung gegangen.
When_a_farm_goes_aflame_3.jpg
© Jide Tom Akinleminu

Die Gespräche zwischen Vater und Sohn sind ebenfalls sehr traurig. Der Vater will weder über seine Gefühle reden noch darüber, warum er damals seine Entscheidung für die zweite Familie getroffen hat. Jide Tom Akinleminu hat bei den Recherchen noch einen zweiten Halbbruder gefunden, mit dem er in Amerika ein Interview führt. Mit diesem Sohn hat der Vater nie Kontakt gehabt. In diesem Fall ist die Situation verwirrend. Der Vater gibt widerstrebend zu, dass er auf Druck seiner eigenen Familie die Vaterschaft anerkannt hat. Ist er der Vater? Das lässt sich nicht klären und ist das eigentlich wichtig? Die Sprachlosigkeit ist am Ende wichtiger als die Fakten.

In WHEN A FARM GOES AFLAME bleibt vieles unausgesprochen. Die Fragen, die der Regisseur am Anfang stellt, bleiben unbeantwortet. Das ist keine Schwäche des Films. Er schafft trotzdem oder gerade deswegen Raum für Emotionen – Trauer, Enttäuschung, auch Liebe. Auch das Zuschauen ist eine emotionale Erfahrung. Es ist ein Film, der es verdient, dass man ihn noch ein zweites Mal sieht.

Kommentiere den Film oder den Eintrag

Titel

Orignaltitel

When a farm goes aflame

Credits

Regisseur

Jide Tom Akinleminu

Land

Flagge DeutschlandDeutschland

Jahr

2021

Impressum