PER LUCIO (For Lucio) von Pietro Marcello (Berlinale 2021)

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© Teche Rai

PER LUCIO, also Für Lucio, Pietro Marcellos Dokumentarfilm über den italienischen Sänger Lucio Dalla ist eigentlich ein Unding. Am Anfang führt Umberto Righi, genannt „Tobia“ und von 1966 bis zu Dallas Tod 2012 dessen Manager, ganz konventionell mit einer Anekdote in den Film ein. Beim ersten Auftritt, den er für Dalla managte, wollten die Besitzer des ausverkauften Clubs die Gage nicht zahlen. Darauf klaute Tobia ihnen Ihre Rolex-Uhren. Diese konnten gegen die Gage am nächsten Tag wieder ausgelöst werden. Mit diesem erfolgreichen Gaunerstück begann die 46-jährige Partnerschaft zwischen Musiker und Künstler. Danach beginnt ein impressionistischer Reigen aus Bildern und Musik, in dem ich oft die Übersicht verloren habe. Wo sind wir jetzt und in welchem Jahrzehnt? Zur Musik von Dallas montiert Marcello Bildmaterial aus Italiens Geschichte – vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis zum Fall der Berliner Mauer. Lucio Dallas Songs liefern dazu einen hauchdünnen Faden. Und – oh Wunder – es funktioniert!

In seinen besten Momenten hat PER LUCIO einen unglaublichen Sog. Das beste Beispiel ist der Dallas Song „Nuvolari“ über den italienischen Rennfahrer Tazio Nuvolrai, der in der zweiten Hälfte der Zwanziger Jahre und in den Dreißiger Jahren einer der besten Rennfahrer der Welt war. Zum Song gibt es unwiderstehliche Bilder von Mille Miglia – wahrscheinlich aus den Dreißigern und Fünfzigern. Zu anderen Liedern gibt es bewegte Bilder von Familienszenen, Partys oder aus Fabriken und von der Feldarbeit, darunter offensichtlich viel Found Footage und andere Amateuraufnahmen. Dalla kommt meist nicht vor. Von ihm gibt es kurze Interviewauschnitte oder Bilder von Live-Auftritten.

Diese impressionistische, manchmal fast psychedelische Herangehensweise wird immer wieder unterbrochen von einem Gespräch beim Abendessen zwischen Tobia und Stefano Bonaga. Bonaga war Dallas ältester Freund, die beiden kannten sich seit ihrem sechsten Lebensjahr. In ihren Gesprächen beschreiben sie Facetten des Musikers, sein Interesse an den Ausgegrenzten, seine Zusammenarbeit mit dem Songtexter Roberto Roversi in den Siebziger Jahren – diese Songs bilden den Kern des Films. Doch auch den beiden langjährigen Wegbegleitern ist bewusst, dass sie den Künstler Lucio Dalla nicht fassen können. PER LUCIO versucht gar nicht erst, das zu tun - und genau deswegen ist der Film so gelungen. Charisma und Kreativität kann man sich nicht mit Fakten nähern, sondern mit Leidenschaft und Gefühl.

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Titel

Orignaltitel

Per Lucio

Englischer Titel

For Lucio

Credits

Regisseur

Pietro Marcello

Land

Flagge ItalienItalien

Jahr

2021

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