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WOOD AND WATER von Jonas Bak (Berlinale 2021)


© Trance Films

Es scheint einen Trend zum entschleunigten Film zu geben. Oder gab es diese Häufung an Slow-Picture Filmen auf der Berlinale schon immer? WOOD AND WATER hat in jedem Fall die beruhigende Wirkung einer Tai-Chi-Bewegung, der man sich beruhigt überlassen kann.

Die Ruhe im Film wird begleitet durch einen traurigen Unterton. Ein Vater und Ehemann ist sehr früh gestorben. Damit fand ein harmonisches Familienleben in einem Strandhaus in Dänemark sein Ende. Nach vielen Jahren besuchen die Mutter und ihre erwachsende Tochter noch einmal das Haus, Symbol einer unwiederbringlich verloren gegangenen Zeit. Auch der Sohn wollte kommen. Doch er lebt in Hong Kong und hat es wegen der Proteste nicht bis zum Flughafen geschafft.

Als die Mutter zurück in ihrem Haus im Schwarzwald beim Frühstück sitzt und der wiederkehrenden einsamen Ereignislosigkeit ausgesetzt ist, beschließt sie den Sohn in Hongkong zu besuchen.


© Trance Films

In Hongkong angekommen, begegnet sie der Andersartigkeit mit zurückhaltender Neugier. Wie in Slow Motion bewegt sie sich durch die Geschäftigkeit der Millionenstadt und trifft Menschen, die immer irgendetwas mit ihr gemeinsam haben. Da ist z. B. der etwa gleichaltrige Sicherheitsmensch an der Rezeption des Wohnhauses, der wie sie Tai-Chi macht. Oder der pensionierte Lehrer, der für sie beim Zukunftsleser übersetzt und ebenfalls einen Sohn in der Ferne hat. Als sie mit ihm in einem Mini Bus durch das abendliche Hongkong fährt, fasst sie ihre Lebensphilosophie kurz zusammen. Sie bete jeden Tag zu Gott, wünsche sich aber nicht, dass etwas ganz Bestimmtes eintrete oder dass sich etwas ändere. Stattdessen bete sie um genug Kraft, das zu ertragen, was kommt. Diesen Stoizismus kontrastiert Regisseur Jonas Bak mit Bildern einer Stadt im Aufbruch. Von der Wohnung des Sohnes aus kann die Mutter die Massen an Hongkong-Bürgern beobachten, die für gesellschaftliche Veränderung auf die Straße gehen.

WOOD AND WATER ist eine Geschichte mit Lücken. Es ist, als ob Jonas Bak in ein Tuch einzelne Löcher hineingeschnitten hat, durch die einzelne Lichtstrahlen einer größeren Geschichte hindurch dringen. Der Perspektive-Beitrag ist eine auf 79 Minuten getreckte 16 mm-Schattenbox-Bewegung, die die Hauptfigur (vielleicht verändert) irgendwann wieder in die Ausgangssituation zurückbringen wird.

Andreas Tai,   06.03.21 14:49

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