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NIGHT RAIDERS von Danis Goulet (Berlinale 2021)


© Christos Kalohoridis

Die Dystopie ist ein auf der Berlinale häufig zu sehendes Sub-Genre – wenn Science Fiction, dann wird es in gesellschaftlicher Hinsicht finster. Von dieser Regel macht auch NIGHT RAIDERS keine Ausnahme. Niskas (Elle-Máijá Tailfeathers) 11-jährige Tochter Waseese (Brooklyn Letexier-Hart) verletzt sich schwer am Fuß. Als ihr tief im Wald gelegenes Haus von einer Drohne entdeckt wird, fliehen die beiden und zünden das Haus sogar an, um Spuren zu verwischen. Denn im Jahr 2043 sind Kinder ab sechs Eigentum der Regierung und sollen in Akademien erzogen werden.

Stück für Stück legt Regisseurin Danis Goulet die Situation offen: Kanada ist jetzt ein Teil der USA, aber zwischen dem neuen Süden und dem neuen Norden gab es einen Bürgerkrieg. Im Norden leben die Rebellen und die Armen, im Süden die Regierungstreuen. Der Süden überwacht den Norden mit Drohnen und will vor allem seine Kinder haben, getrennt sind die beiden Teile durch einen Drahtzaun. Als sich Waseeses Zustand nicht bessert, steht Niska vor einer schwierigen Entscheidung: Soll sie ihre Tochter im Stich lassen? Dann würde sie medizinische Hilfe bekommen, aber auch unerreichbar für die Mutter auf einer Akademie erzogen werden.

NIGHT RAIDERS verwebt Einzelschicksale mit dem Schicksal der Gruppe, in diesem Fall der Rebellen. Die Frage ist – welches Schicksal ist wichtiger? Und noch eine ganz andere gesellschaftliche Ebene spannt der Film auf: Die Regisseurin, andere an der Produktion Beteiligte und auch die Darstellerinnen und Darsteller sind in der großen Mehrheit Indigene. Der Film ist eine kanadisch-neuseeländische Co-Produktion. Auf sehr spannende Art behandelt der Film ein Phänomen, unter dem Indigene über Jahrhunderte zu leiden hatten und noch zu leiden haben: Sie werden unterdrückt, als minderwertig angesehen, ihre Kultur wird nicht anerkannt – Umerziehung ist dafür nur ein Beispiel auch in demokratischen Staaten. Danis Goulet macht aus diesem Stoff einen smarten Sci-Fi-Thriller, der sein Publikum auch noch gut unterhält.

Steffen Wagner,   03.03.21 19:50

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