Desktop Version

BABARDEALĂ CU BUCLUC SAU PORNO BALAMUC (BAD LUCK BANGING OR LOONY PORN) von Radu Jude (Berlinale 2021)

Wenn der für das private Vergnügen gedrehte Heimporno im Internet landet, kann das unangenehme Folgen haben. In Radu Judes BAD LUCK BANGING OR LOONY PORN wird dieses Missgeschick bonbonfarben und grotesk vor dem Hintergrund einer im Kern brutalen und verlogenen Gesellschaft im heutigen Rumänien durchgespielt. Achtung: Die ersten drei Minuten sind echter Porno. Wodurch der Zuschauer flugs zum voyeuristischen Komplizen jener fragwürdigen Öffentlichkeit wird, die im Film vorgeführt wird.

Eine junge Lehrerin hat sich mit ihrem Mann vergnügt und das Ganze gefilmt. Unglücklicherweise landet der Film auf einer Porno-Website, und die Lehrerin wird vor ein entrüstetes Elternkomitee ihrer Schule zitiert. Auf dem Weg zu der Versammlung streift sie durch die Stadt, durch Einkaufspassagen, über Märkte und mit greller Werbung gepflasterte Hauptstraßen. Immer wieder schweift die Kamera dabei von ihr ab und verweilt sekundenlang auf aufdringlichen Werbeschildern, auf bröckelnden Altbaufassaden, auf Wahlplakaten und Überbleibseln der Diktatur im Straßenbild. So ergibt sich, ganz nebenbei, ein Stimmungsbild der Gesellschaft. Konsum ist König, so wirkt es zumindest, und doch scheinen sich die wenigsten Menschen auf der Straße diesen Konsum leisten zu können.

Reiche Prolls in fetten Autos fühlen sich als Herren der Straße, sie parken frech auf Zebrastreifen oder Bürgersteigen und pöbeln Passanten an, die sich darüber beschweren. Der Ton ist rau, schnell werden Prügel „in Deine Securitate-Fresse“ angedroht oder auch mal das „Ficken Deiner Mutter“. Das Gefühl, von Korruption umgeben zu sein, wird allenthalben geäußert, „die da oben“ denken nur an sich und füllen sich die Taschen. Nebenbei ist der Film unter Corona-Bedingungen gedreht – die Schauspieler wie Statisten im Hintergrund tragen Masken, immer wieder wird jemand darauf hingewiesen, die Maske doch bitte ordentlich über die Nase zu ziehen. Ein weiteres Instrument der Gängelung in einer Gesellschaft, wo es den Menschen Vergnügen zu bereiten scheint, andere zu schurigeln.

Der mittlere Teil des Films schneidet wie in einem cineastischen Notizbuch des Absurden Bilder, Sprüche und Erinnerungen zusammen: Kriegslieder intonierende Schulkinder während der Ceaușescu-Ära, kitschige Folklore-Darbietungen, faschistische Lieder singende Gläubige, auf Demonstranten schießende Soldaten, Porno-Titelseiten von Tageszeitungen und vieles mehr.

Dieser bunt zusammengewürfelte filmische Resonanzboden hallt noch nach, während im dritten Teil dann das Tribunal gegen die Lehrerin durchgespielt wird. Versammelt sind hier groteske Stereotypen: der großmäulige Flugkapitän, der geile fette Alte, die geifernde Wortführerin, der opportunistische Pastor. Sie alle leben ihre scheinheilige Wut gegen die Lehrerin aus, während diese ihnen argumentativ eindeutig überlegen ist. Drei mögliche Variationen für das Ende präsentiert Jude zum Schluss – und in der letzten Version wird es noch einmal richtig schrill. Ein Superheldinnen-Finale, das auf sehr komische Weise Rache nimmt an der Verlogenheit einer im Grunde erbärmlichen Gesellschaft.

Fotos: © Silviu Ghetie / Micro Film 2021

Tiziana Zugaro,   03.03.21 09:10

Impressum