Berlinale 1952

Sowjetunion bietet Wiedervereinigung Deutschlands an - Gründung der EVG und EGKS (Vorläufer der EU) - Königin Elisabeth II von England wird gekrönt - Koreakrieg geht weiter - Ab Dezember regelmäßiges Fernsehen, nur 1000 Haushalte registriert

Trennung, Abgrenzung und ein veritabler Minderwertigkeitskomplex bestimmen diese zweite Berlinale. Freude hätte Freud an der Haltung der Festivalleitung und der diversen Debattenteilnehmer gehabt, die einem amerikanischen Film und ganz persönlich Orson Welles eine „antideutsche Haltung“ vorwarfen. Gerade mal sieben Jahre nach dem Krieg eine bizarre Einstellung und Tonlage, die aber dem Maulhalten!-Weitermachen-Geist der Zeit entsprach. Aber die neuen Deutschen lechzten auch danach, sich das Schulterklopfen vom großen Bruder USA abzuholen, ohne den in Berlin "der Russe" herrschen würde.

Liest man Protokolle aus der Zeit, wird die Festivalorganisation sprachlich und logistisch angegangen wie der vergangene Krieg und ist nicht frei von aus der Nazi-Zeit vertraut klingenden Worthülsen, wie ja auch der Vorwurf "antideutsch" nicht ohne Vorgeschichte ist. Dazu irritiert im Jahre Zwei der Berlinale ein Dschungel aus politischen und künstlerischen Gremien, Verwaltungen und bürokratischen Institutionen, die verhandeln, debattieren und eine Richtung für die Berlinale suchen. Dieses Durcheinander ist ein Spiegel für das ganze Land irgendwo zwischen Wirtschaftwunder und Schuldkomplex. Bei der Selbstsuche dabei ist auch der „Ausschuss für Volksbildung“, in dem u.a. die Frage diskutiert wird, wie man der „Arbeiterklasse“ Filmkultur nahe bringen soll und ob man im Wedding wirklich Filme zeigen kann - kann der Arbeiter Kunst verstehen?

Die Berlinale hat sich noch nicht gefunden, noch keine gefestigte Identität, die über „Wir-wären-gern-wieder-wer“ und bürokratische Debatten hinausgeht. Dabei wurden durchaus Filme gezeigt, die heute Klassiker sind: darunter „Rashomon“ von Akira Kurosawa. Dieser allerdings, wie manch anderer, wurde von Kritikern und Publikum nicht als wertvoll erkannt. Die märchenhafte Geschichte, die ein und denselben Vorfall aus drei Perspektiven beschreibt und den Wahrheitsanspruch von Erzählung negiert, wird sicher verwirrend für ein noch immer autoritätsgläubiges und nach dem Sinn suchendes Publikum gewesen sein.

Skandal der Berlinale: ein schwedischer Film von Arne Mattson, in dem eine nackte Brust zu sehen ist; Sieger der Berlinale: eben dieser Film "Hon Dansade en Sommar" (Sie tanzten nur einen Sommer) - das vielleicht schon ein erstes ermutigendes Zeichen und irgendwie prophetisch für die Stadt Berlin - was es mal war und einige Jahrzehnte später wieder sein würde.

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