L’ADIEU À LA NUIT (FAREWELL TO THE NIGHT) von André Téchiné (Berlinale 2019)

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Wenn man eine Großmutter hat, die wie Catherine Deneuve aussieht, warmherzig und verständnisvoll ist, und obendrein wunderschöne Pferde inmitten einer paradiesischen Landschaft züchtet – warum will man dann im Krieg für den IS Ungläubige abschlachten? Dass diese Frage so penetrant im Vordergrund steht und offensichtlich eine Beantwortung nicht vorgesehen ist, das ist der entscheidende Schwachpunkt in André Téchinés Drama L’ADIEU À LA NUIT. Großartig gespielt von der Deneuve als Großmutter und Kacey Mottet Klein als radikalisierter Enkel, darbt der außer Konkurenz laufende Wettbewerbsbeitrag an seinem unbedingten Willen, Argumente gegen terroristische Radikalisierung allzu holzschnittartig im Versuchsaufbau der Figuren und der Handlung zu implementieren.

Die Großmutter, ihr Pferdehof, die Freunde und Angestellten wirken wie ein – gemäßigt multikultureller – Werbeprospekt für ein weltoffenes, lebensfrohes Frankreich, das zu genießen und zu leben weiß. Doch aus irgendeinem Grund konnte diese Gemeinschaft dem Enkel, dessen Mutter früh verstorben ist, keinen rechten Halt geben. Den findet er erst im Islam, und dann im Islamismus. Auf der anderen Seite des Franko-Paradieses steht die verschlagene arabischstämmige Jugendfreundin des Enkels, hinter deren engelsgleichem Gesicht sich blindwütige Radikalität und tiefe Verachtung gegenüber Ungläubigen verbirgt. Der IS-Verbindungsmann ist sehr schwarz, sehr geifernd und – wie sich schließlich herausstellt – auch sehr scheinheilig. Einzig ein geläuterter Ex-Terrorist bringt etwas Glaubwürdigkeit in dieses ermüdende Schwarzweiß-Schema.

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Trotz dieser Mankos kann man sich den Film ganz gut anschauen, wenn man das unsubtile und letztlich auch undifferenzierte Haltung-Beziehen ausblendet: Der Film ist flüssig und souverän erzählt, die verzweifelten Versuche der Großmutter, zu ihrem Enkel durchzudringen und schließlich seine Abreise zu verhindern, sind temporeich, spannend und nicht ohne Sinn für Humor auf die Leinwand gebracht.

Unterm Strich ist der Film von Altmeister Téchiné – besonders im Vergleich mit dem schönen Berlinale Wettbewerbs-Beitrag QUAND ON A 17 ANS aus dem Jahr 2016 und ebenfalls mit Kacey Mottet Klein – jedoch eine Enttäuschung.

Fotos: © Curiosa, Adieu à la nuit 2019

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Titel

Orignaltitel

L'adieu à la nuit

Englischer Titel

Farewell to the Night

Credits

Regisseur

André Téchiné

Schauspieler

Oulaya Amamra

Stéphane Bak

Catherine Deneuve

Mohamed Djouhri

Kacey Mottet Klein

Land

Flagge DeutschlandDeutschland

Flagge FrankreichFrankreich

Jahr

2019

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