Wenn zwei Frauen sich lieben, kann man das entweder ganz normal finden oder Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um diese vermeintliche „Abnormität“ zu verhindern. Im Argentinien des späten 19. Jahrhunderts standen die Chancen für lesbische Frauen schlecht, ihr Lebensglück zu verwirklichen – oder sie mussten sehr trickreich vorgehen. Die aus Barcelona stammende Regisseurin Isabel Coixet hat mit ELISA Y MARCELA eine verblüffende Geschichte verfilmt, die auf wahren Begebenheiten basiert: 1901 heirateten die gebürtigen Argentinierinnen Elisa Sánchez Loriga und Marcela Gracia Ibeas in Nordspanien – Elisa mit Kurzhaarschnitt, Männerklamotten, falschem Namen und falschem Schnauzer als Bräutigam verkleidet. Nicht lange, und das Paar wurde enttarnt und musste nach Portugal fliehen. Eine spannende, außergewöhnliche und anrührende Geschichte – nur leider fällt Coixets Netflix-Produktion dem unbedingten Willen zur Schönheit zum Opfer.
Dabei fängt es eigentlich ganz gut an. In angenehm zurückhaltenden Schwarzweiß-Bildern erzählt der Film zunächst vom Kennenlernen der beiden jungen Frauen in einer Klosterschule, vom anfänglichen Zögern, vom Verwirrstein und Verliebtsein, vom Sich-Selbst-und-die Andere-Entdecken. Das ist über weite Strecken hinweg leicht und verspielt dargestellt. Doch schon hier stört bisweilen der Hang zum naheliegenden Klischee: Marcela Familie mit schweigsamem Vater und erduldender Mutter wirkt wie aus einem groben Holzklotz gehauen, Elisas Wildfang-Charme ist eine Spur zu gefällig.
Später wird es nur noch schlimmer. Als die Frauen sich Jahre später als Grundschullehrerinnen fern der Heimat, in Spanien, wiedertreffen und ein Paar werden, muss wohl überdeutlich gezeigt werden, wie wunderbar und schön und ästhetisch Sex zwischen Frauen ist. Schwelgende Streicher, romantisches Klavierdauergeklimper, dazu überwältigend schön ausgeleuchtete Frauenkörper – mehr ist Coixet nicht eingefallen, um diese außergewöhnliche Liebesgeschichte zu bebildern? Da hilft auch kein Tintenfisch als Sexspielzeug, tut mir Leid.
Die zeitliche Verortung der Handlung wird ab der Hälfte des Films, recht unvermittelt, auch auf technischer Ebene umgesetzt, wenn die Bilder punktuell in grisselige Grobkörnigkeit zerfließen. Auch die Ausblenden in Stummfilm-Manier wirken, ja eben, manieriert. Trotzdem hat der Film auch seine Stärken: Die Hauptfiguren, vor allem die sprödere Marcela, sind überzeugend und mit interessantem doppeltem Boden gespielt, es gibt eine Reihe von gelungenen Szenen und auch humoristische Einsprengsel, die gut funktionieren.
Unterm Strich jedoch krankt der Film an seinem Hang zum Kitsch und zum abgeschmackten Klischee – wilde Frau mit wilden Haaren auf wildem Pferd, böser Holzfäller mit lodernden Augen, gehässige Dorffrauen mit bitterem Zug um den Mund. Die Journalisten, die schon beim Vorspann ob des eingeblendeten Netflix-N gebuht haben, hätten sich besser noch etwas gedulden sollen.
Fotos: ©netflix