Bilderjagd mit Hitchcock, Karl Malden und den Bodysnatchern
Jemand dreht an einem Knopf von „Talk“ auf „Listen“, trotzdem geht es um Bilder nicht um Sprache. Und diese Bilder haben einen Sog, der für die nächsten gut 60 Minuten unwiderstehlich ist. Ich bin selten einem Film so gebannt gefolgt wie diesem. Guy Maddin und Evan und Galen Johnson haben eine Art Riff (oder vielleicht auch eine Meditation) auf Alfred Hitchcocks VERTIGO gemacht – mithilfe von found footage aus Filmen, die ausnahmslos in San Franciscos Bay Area spielen. Filme aus rund 80 Jahren, Kinofilme, Fernsehfilme. Szenen werden in schneller Folge aneinander montiert, eine Verfolgungsjagd über Dächer, ein abbiegendes Auto, eine Umarmung. Das ist das visuelle Pendant zum Scratching eines DJs im frühen Hip Hop. Und keine Angst, diese Technik nervt nicht und sie macht es unmöglich, den Blick abzuwenden.
THE GREEN FOG ist eine spannende Bilderjagd. Die Story drängt unaufhörlich vorwärts, angetrieben auch von Jacob Garchiks effektvollem Score. Die vielen gefundenen Filmstücke ergeben ein Kaleidoskop von Referenzen: VERTIGO und andere Hitchcock-Klassiker und immer wieder Fernsehen: Natürlich Karl Malden und Micheal Douglas – schließlich sind wir in den STREETS OF SAN FRANCISCO – aber auch Bilder einer sehr seltsamen Detektivserie mit Rock Hudson aus den 70ern (deutsches TV-Futter der 80er, scätze ich), an deren Name ich mich beim besten Willen nicht mehr erinnern kann. Nebst GODZILLA, BASIC INSTINCT und den BODYSNATCHERN: Donald Sutherland schreit – und wie!
Es ist ein Riesenspaß und spannend noch dazu. Ich habe keine Ahnung, wie sich auf diese Weise, fast ohne Dialoge, eine Geschichte erzählen lässt, aber es funktioniert. Die Montage-/Schnitt-Leistung von Evan und Galen Johnson ist einfach eine Sensation. Lauten Beifall und vereinzelten Jubel in einer Pressvorführung um kurz nach 10 Uhr abends im miefigen CinemaxX 6 hat man sehr selten auf der Berlinale. Gut, vielleicht ein Dutzend Leute sind auch nach ein paar Minuten gegangen. Fuck em.