MORGEN BEGINNT DAS LEBEN von Werner Hochbaum (Berlinale 2018)

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Was für ein Wunder es doch eigentlich ist, wenn uns Kinogeschichten und Filmfiguren zutiefst berühren, obwohl sie aus einer anderen Epoche zu uns sprechen! In Werner Hochbaums MORGEN BEGINNT DAS LEBEN aus dem Jahr 1933 ist es das Schicksal eines jungen Geigers, der nach fünf Jahren Gefängnis wieder freikommt und um die Liebe seiner Frau bangen muss. Der Mann irrt durch Berlin, seine Zerrissenheit spiegelt sich in Bildern und Tönen der lärmenden, bedrängenden, einsam machenden Großstadt wider, die eindeutig am Expressionismus geschult wurden. Der Konflikt der Protagonisten wird mit den filmischen Mitteln der Avantgarde zugespitzt und für die Zuschauer intensiv erlebbar gemacht. In einer anderen, sehr starken Szene vereinen sich die höhnischen Kommentare der Nachbarn zu einem fanatischen Chor der Gehässigkeit – verzerrte Fratzen, geflüstertes Gift, anklagend zeigende Finger verdichten sich zu einer alptraumartigen Sequenz.

Einen sicher unbeabsichtigten, aber nichtsdestotrotz unheimlichen Widerhall erfährt diese Szene durch den Umstand, dass der Film kurz nach der Ernennung Hitlers zum Reichkanzlers veröffentlicht wurde. Der Alptraum der erbarmungslosen Ausgrenzung hatte in Wirklichkeit gerade erst begonnen. Sehenswert ist dieses Melodram aus der Umbruchzeit zwischen Weimarer Republik und Hitler-Diktatur allemal.

Foto Quelle: Deutsche Kinemathek


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