Nicht Berlinale, aber Filmkunst vom Feinsten: MANIFESTO von Julian Rosefeldt

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Ist nicht Berlinale. Ist Berlinale. Ist nicht Kunst, ist Kunst. Ist nicht Film, ist Film. Und so weiter. Die fantastische Video/Film/Installation MANIFESTO im Hamburger Bahnhof läuft seit zwei Tagen und hat natürlich mit der Berlinale zu tun, die zwei Kilometer weiter die Zukunft des Films in all seinen Facetten behandelt. Wenn auch nur in einer kleinen Sektion als „Video-Kunst“ bzw. sperrige Form mit vielen Bildschirmen oder Leinwänden im Forum Expanded.

Rosenbergs 13 parallel laufenden Filme, alle mit Cate Blanchett in verschiedenen, großartigen Rollen, ist witzig, ist klug, ist packend ist total verkopft und trifft einen in den letzten 30 Sekunden, wenn alle Filme synchron laufen und den Raum mit SingSang zum Chorraum machen, tief ins Mark.

Und dabei geht es in allen Filmen nur um Kunst und wie sie sein sollte, oder wie verschiedene Ismen und Bewegungen der letzten 100 Jahre die Kunst verwandeln wollten: Von Dada über Konstruktivismus, Surrealismus, Kreationismus, Konzeptkunst usw.. Sie alle - und einige Kunstformen wie in der Architektur Bruno Taut oder im Film Dogma 95 - haben Manifeste verfasst, die das alte begraben und Neues erschaffen wollten, die ihre Kunst erklärten und andere verdammten, die Kunst beschimpften und das System durch Kunst vernichten wollten - wir kennen das. Und aus diesen Manifesten zitieren die von Blanchett gespielten Figuren in verschiedensten Settings und Kontexten.

Sie spielt einen Penner, der in apokalyptischer Industrieruinenlandschaft vom Ende des Kapitalismus krakeelt und am Ende vom Teufelsberg hier in Berlin in die Welt brüllt. Oder eine Lehrerin, die ihre Schüler Filmmanifeste zitieren lässt, oder eine Müllkranfahrerin, die über die gute Architektur doziert, oder eine Brokerin, die über die Schönheit der Zestörung (den Futurismus) rezitiert.
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Die Settings sind fantastisch gewählt und inszeniert, die Sätze so irre wie klug wie aktuell wie immergültig und gelegentlich lächerlich - und vor allem widersprüchlich zu dem, was man dann vom nächsten Manifest hört, das wieder so stimmig und hellsichtig inszeniert ist, wie das davor. Die Filme sind auch mal witzig. Zum Beispiel wenn Blanchett als glatte Nachrichtensprecherin über Konzeptkunst spricht und im Interview mit einer Reporterin mit typischer US-Nachrichtenbetonung über die Bedeutung von Ideen und Konzeptkunst spricht oder eine spießige, betende Mutter am Sonntagstisch beim Braten über die Popart anbetet. Wunderbar!

So kann Kunst sein. So kann Film sein und dabei ohne Plot und verkünsteltes und gestelztes Gemache auskommen, wie es mir jedenfalls in der Videokunst zu oft begegnet.

Und als Auftakt für meine Berlinale ein geradezu perfekter Film/Filmreigen, weil das wilde Assoziieren über die Bilder, beim Versuch die Texte zu erfassen und dabei die Widersprüche von Sprache und Setting und Inhalt und Bild zu spüren eben Filmfestival ist. Weil das das Leben ist (auch wenn nur von der Kunst geprochen wird) Und weil diese Kakophonie von Vorstellungen über Kunst und unser Leben eben auch genau das ist, was die Berlinale ausmacht.

Bilder: Julian Rosefeldt: Manifesto, 2014/2015. © VG Bild-Kunst, Bonn 2016

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