Berlinale 2015: MISFIT von Jannik Splidsboel

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Tulsa, Oklahoma liegt mitten im so genannten Bible Belt Amerikas, hat 400.000 Einwohner, 4.000 Kirchen und ein einziges schwul-lesbisches Jugendzentrum. Wie lebt es sich als schwuler Junge oder lesbisches Mädchen in dieser streng gläubigen, zutiefst intoleranten Stadt? Wie kommt man durch den Alltag? Wo findet man Halt? Der dänische Filmemacher Jannik Splidsboel hat drei Jugendliche über einen längeren Zeitraum hinweg begleitet und sich an die Frage herangetastet, was es bedeutet, aufgrund der sexuellen Identität bereits in so jungen Jahren ein geächteter Außenseiter zu sein. MISFITS, der in der Reihe Panorama Dokumente läuft, ist ein ruhiger, unaufgeregter Film, und er erzählt nicht nur von Hass und Intoleranz, sondern auch von sehr viel Liebe.

Schnell wird klar, dass das „Open Arms“ Jugendzentrum ein fixer Stern im Universum dieser jungen Menschen ist: Hier können sie sich öffnen, hier können sie sie selbst sein, von ihren Erfahrungen berichten, herumalbern, diskutieren, flirten – und brauchen keine Angst zu haben, schief angeschaut zu werden. Splidsboel zeigt ein junges Mädchen, dass nach seinem Coming-Out und dem darauf folgenden Streit mit der Mutter bei seiner Freundin eingezogen ist, und nun versucht, den Schulabschluss auf die Reihe zu kriegen. Sie träumt von einem Leben in Geborgenheit und hat durchaus Sinn für Romantik, wie in einer sehr schönen Kussszene in einem aufs Kitschigste erleuchteten Themenpark deutlich wird. Ein zwanzigjähriger Schwuler hat das große Glück, dass seine extrem couragierte Mutter die Familie anfangs geradezu dazu gezwungen hat, den Sohn so zu akzeptieren, wie er ist, ihn zu lieben und zu unterstützen. Inzwischen – so hat man das Gefühl – ist er wirklich einer der wenigen schwulen Jugendlichen in Tulsa, die auf eine solche Familie zählen können. Ein anderer Junge, der sich „pansexuell“ nennt, lebt in recht prekären Verhältnissen und muss sich zunächst um seine Geburtsurkunde kümmern, um sich einen Job besorgen zu können. Ein eigenes Fahrrad zu haben, ist für ein Riesenglück. Später hat er auch eine Freundin. All diese jungen Menschen erzählen sehr offen und klar über ihr Leben.

Alle, und das ist das Schöne an diesem Film, habe Pläne: Sie wollen ein glückliches Leben führen. Sie wollen lieben und geliebt werden. Das dies nicht unbedingt in Tulsa möglich sein wird, ist den meisten von ihnen völlig klar. Die Gewalt ist allgegenwärtig, ebenso die Angst, zusammengeschlagen zu werden. Mehr als einer der schwulen oder lesbischen Freunde dieser Jugendlichen hat den Druck in der Stadt nicht ausgehalten und Selbstmord begangen. Da wirkt Dallas schon wie ein kosmopoliter, ferner Glücksstern. MISFITS ist ein eindrucksvoller Dokumentarfilm, der völlig auf sensationalistische Untertöne verzichtet, und dennoch eine klare Sprache gegen Ausgrenzung spricht.

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Titel

Orignaltitel

Misfits

Credits

Regisseur

Jannik Splidsboel

Land

Flagge DänemarkDänemark

Flagge SchwedenSchweden

Jahr

2015

Dauer

74 min.

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