Berlinale 2015: ALS WIR TRÄUMTEN von Andreas Dresen

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Wovon träumen Teenager in der Nachwendezeit in Leipzig? Im Grunde davon, wovon andere Jungs auch träumen: Mädchen, Musik, Boxerkarriere. Unter dem Brennglas des Systemwechsels betrachtet, nehmen diese Träume jedoch andere Schattierungen an als, beispielsweise, vergleichbare Wunschvorstellungen in Stuttgart. Der Autor Clemens Meyer hat diese besondere Stimmung 2006 in einem Roman einzufangen versucht, der Regisseur Andreas Dresen hat nun gemeinsam mit Drehbuchschreiber Michael Kohlhaase ALS WIR TRÄUMTEN auf die Leinwand gebannt. Der Film hat einige schöne Momente und ein paar richtig gute Dialoge – insgesamt hinterlässt er aber eher ein schales Gefühl. Was, so fragt man sich, soll denn nun das Besondere an dieser Geschichte sein? Und warum wird sie mir überhaupt erzählt?

Handwerklich ist der Film clever gemacht: Dresen schneidet zum Beispiel wunderbar überzeichnete Rückblenden aus der Junge-Pionier-Vergangenheit seiner Protagonisten gekonnt in den Suff- und Drogenalltag der jugendlichen Helden, und er bringt seinen über Jahrzehnte hin perfekt geübten liebevollen Blick auf die DDR-Schrullen auch hier wieder geschickt unter. In den Schulszenen wird durchaus ein Gefühl dafür vermittelt, welche Art von Indoktrination schon die Kleinsten in der DDR genießen durften. Aber gleichzeitig ist das alles auch immer irgendwie ganz niedlich. Der wahre Schrecken bleibt draußen – was mit der Kinderperspektive bequem zu rechtfertigen ist. Das wirkt umso befremdlicher, je länger man darüber nachdenkt.

Als der Staat, in dem die Jungs groß geworden sind, nicht mehr existiert, läuft auch die Jugend aus dem Ruder. Die einen saufen, klauen und fahren Autos zu Schrott, die anderen rasieren sich die Haare ab und brüllen „Heil Hitler!“. Hier mäandert der Film lange vor sich hin, durchaus actionreich – blutigste Prügelszenen, halbgare Erotik in der Küche, Techno-Wummer im Club – aber so richtig passiert eigentlich nix.

Einige der Figuren, wie der verhinderte Boxer oder der drogensüchtige DJ, sind eigentlich ganz schön angelegt, aber letztlich wird nicht viel aus ihnen herausgeholt. Andere, vor allem das angehimmelte Mädchen, sind so hanebüchen dumm gezeichnet, dass man sich fragt, ob jetzt mit dem Regie- und Drehbuchduo Dresen/Kohlhaase allmählich die Altmännerfantasien durchgehen. Immer wieder schafft es der Film, einen durch witzige Dialoge und eine dichte Stimmung – vor allem durch den hämmernden Techno-Soundtrack erzeugt – bei der Stange zu halten. Aber letztlich fragt man sich, was man aus dem Film eigentlich nach Hause mitgenommen hat. Sich das fragen zu müssen, ist schon mal kein gutes Zeichen.

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Titel

Orignaltitel

Als wir träumten

Englischer Titel

As we were dreaming

Credits

Regisseur

Andreas Dresen

Schauspieler

Joel Basman

Frederic Haselon

Marcel Heupermann

Julius Nitschkoff

Merlin Rose

Drehbuch

Land

Flagge DeutschlandDeutschland

Flagge FrankreichFrankreich

Jahr

2014

Dauer

117 min.

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