FINDING VIVIAN MAIER von John Maloof, Charlie Siskel

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Es mag der Traum vieler unentdeckter Künstler sein, die sich von der Welt verkannt fühlen… Vivian Maier kannte bis vor drei Jahren niemand, außer die Familien, bei denen sie als Kindermädchen arbeitete. Jetzt muss man sie in einer Reihe mit Robert Frank, Diane Arbus, William Klein oder Mary Ellen Mark und den berühmtesten, talentiertesten Straßen-Fotografen des vergangenen Jahrhunderts zählen.
Aber im Gegensatz zu den auf zumindest posthumen Weltruhm hoffenden Künstlern: Vivian Maier wollte offenbar gar nicht bekannt sein, sondern einfach nur fotografieren. Und das hat sie 60 Jahre lang getan, grandios und manisch. Bis zu ihrer Entdeckung auf einer Ramschauktion.

Ihre Geschichte, erzählt in dem schön strukturierten und zurückhaltend erzählten Dokumentarfilm, ist so unglaublich wie ihre Fotos unglaublich gut. Ein junger Mann, John Maloof, genervt von seinem Job als Immobilienmakler beschliesst ein Geschichtsbuch zu schreiben und sucht 2009 auf Auktionen alte Fotos. Er ersteigert eine Kiste mit 1000en Negativen und findet dort zwar nicht, was er für sein Buch sucht, aber brillante Straßenfotos, Portraits, Szenen aus den 50er und 60er Jahren. Unschlüssig, ob sie so gut sind, wie er glaubt, postet er sie auf einem Blog. Worauf er euphorische, begeisterte, ungläubige Rückmeldungen bekommt.
Er beginnt auch die anderen auf der Auktion an verschiedene Bieter verscherbelten Kisten aufzukaufen, darunter 600 Rollen unentwickelte Farbfilme, unzählige Super 8 Filme, Tonbänder und abertausende Negative. Plus die von Vivian Maier über Jahrzehnte angehäuften Zettel, Quittungen, Nachrichten, Briefe, Bildchen, Anstecknadeln, Zeitungsausschnitte, Metallteile undundund, die er in einem Lagerhaus aufspürt.

Die Frau war eine manische Sammlerin und eine unglaubliche Fotografin. Das ist zunächst das einzige, was der junge Mann weiß. Er will aber mehr wissen, Wer war diese Frau? Über eine Adresse aus den 60er Jahren stößt er auf die erste Familie, bei der sie als Kindermädchen arbeitete und landet im weiteren Verlauf seiner Recherche in vielen Häusern und bei vielen inzwischen Erwachsenen, die von Vivian Maier betreut wurden und mit ihr durch Slums und Straßen und Vororte und zu Paraden und Jahrmärkten und entlang von Schaufenstern mussten, wo sie fotografierte und fotografierte.
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Irgendwann bringt ihn diese Suche nach Frankreich, woher Vivian Maiers Eltern stammen. Er erfährt viel über diese sehr in sich gekehrte, sich geheimnisvoll gebende, exzentrische Frau, die aber auch ein beschädigter Mensch war, unnahbar, manchmal gewalttätig, dann wieder emphatisch, liebevoll und besorgt. Die zwischen all dem Müssen ein Auge hatte einzigartige Momente zu erkennen und zu fotografieren, um ihren unstillbaren Wunsch, das Leben, die Sekunden-Momente und Erinnerungen zu sammeln und die Melancholie, die Tragik des Lebens auf Film zu bannen.
So gut, wie nur wenige konnte sie das und es sind kraftvolle, anrührende, präzise komponiert wirkende Momente, die die Fotos zeigen. Irgendwann geriet ihre Sammelei allerdings in Richtung Messitum außer Kontrolle. Sie starb 2009 schließlich einsam und mittellos - als eine wunderliche alte Dame, die immer in einem Park saß und mit niemandem sprach. Heute muss man Vivian Maier zu den vielleicht begabtesten Fotografen ihrer Zeit zählen. Man kann dem jungen Filmemacher, der nun 90% ihrer Fotos besitzt nur danken, dass er die Welt mit ihr bekannt gemacht hat. Nach solch einer Geschichte fragt man sich wieder: Wie sehr müssten vielleicht Kunstgeschichte und Musik- und Filmgeschichte umgeschrieben werden, hätten mehr Nachbarn und Flohmarkthändler, Auktionshäuser und Entrümpler über die Jahrhunderte aufgepasst.

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Titel

Orignaltitel

Finding Vivian Maier

Credits

Regisseur

John Maloof

Charlie Siskel

Land

Flagge Vereinigte StaatenVereinigte Staaten

Jahr

2014

Dauer

84 min.

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