YI DAI ZONG SHI (The Grandmaster) von Wong Kar-Wai

Regentropfen peitschen aufs Pflaster, Hände und Füße pflügen blitzschnell durchs Wasser, Körper wirbeln durch die Luft und knallen mit einem dumpfen Knirschen gegen Mauern: Kung Fu als ästhetische Übung à la Wong Kar Wai. Mit dem Eröffnungsfilm der Berlinale, THE GRANDMASTER, hat der große Regiemeister des Hongkong Kinos neue Maßstäbe im Martial Arts Film gesetzt. Dabei, so Wong, wollte er gar keinen Kung Fu Film drehen, sondern einen Film über Kung Fu. Und wirklich: Die Schönheit des Kampfes zeigt die Schönheit des Inneren seiner Figuren.

Erzählt wird die Geschichte des Kung Fu Meisters Ip Man, der im China der 30er Jahre als Nachfolger eines legendären Meisters auserkoren wird – sehr zum Missfallen von dessen Tochter Gong Er und dessen Adoptivsohn. Durch die Wirren des Bürgerkriegs, der japanischen Invasion und der Flucht nach Hongkong folgt der Film dem Weg von Ip Man und Gong Er – und gibt dabei eine Ahnung von Moralkodex und Wertvorstellungen einer längst untergegangenen Welt. Die tödliche Waffe, die im Können dieser Kung Fu Meister liegt, ist nur durch absolute Disziplin und Selbstbeherrschung zu einem Dasein in der Gesellschaft berechtigt. Die Großmeister sind die Verkörperung dieser Selbstbeherrschung.

Nun hat Wong Kar Wai ja bereits in mehreren Filmen bewiesen, dass er wie kein zweiter die Selbstbeherrschung zu zeigen vermag, die ein Liebender aufbringt, der auf die Liebe verzichtet – am eindrücklichsten sicherlich in IN THE MOOD FOR LOVE. Auch hier spielte Tony Leung die männliche Hauptrolle, und wieder begnügt sich der Schauspieler hier mit kleinen Gesten und verhaltener Mimik, um die abgründigen Emotionen im Inneren seiner Figur darzustellen. Aber in THE GRANDMASTER sind der Figur darüber hinaus die präzisen, bis ins kleinste perfektionierten Bewegungen der Kampfkunst gegeben, um seinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen. In einem Pas de Deux der besonderen At – dem einzigen Kampf zwischen Ip Man und Gong Er – umkreisen sich Mann und Frau wie im Liebeskampf: sie prallen aufeinander, umwerben den anderen, locken und schlagen zu. Zhang Ziyi als Gong Er erlaubt sich nicht einmal im schmerzhaftesten Aufeinanderprallen eine sichtbare Gemütsregung. Nur ganz zum Schluss, lange nach dem Kampf, wird eine einzelne Träne über ihre Wange rollen.

Der Ehrenkodex, den diese Kung Fu Käpfer leben, trägt sie durch die schlimmsten Irren ihrer Zeitgeschichte – im Chaos bietet ihnen die strenge Lehre einen Halt. Und gerade deshalb wirken diese Figuren am Schluss, im Hong Kong der 50er Jahre wie aus der Zeit gefallen. Wir sehen sie fast nur im Dunkeln und im Regen, und die Straße, in der die Martial Arts Schulen der Stadt versammelt sind, wirkt wie eine längst verlassene, langsam zerbröckelnde Filmkulisse. Doch hier, und das muss der Film gar nicht mehr erzählen, weil jeder Chinese es weiß, wird der alte Ip Man einst einen sehr jungen Schüler unterrichten, der die Welt des Kung Fu in die Welt trägt – Bruce Lee. Doch das ist wieder eine andere Geschichte.

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Titel

Orignaltitel

Yi dai zong shi

Englischer Titel

The Grandmaster

Credits

Regisseur

Wong Kar-Wai

Schauspieler

Chang Chen

Tony Leung

Zhang Ziyi

Land

Flagge ChinaChina

Hong Kong

Jahr

2013

Dauer

120 min.

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