Interview mit der Leiterin des Filmmarkts

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400 Aussteller, 8000 Fachbesucher aus 100 Ländern und mehr als 1100 Filmvorführungen: Der European Film Market (EFM) zählt zu den bedeutendsten Branchentreffs der internationalen Filmindustrie. Beki Probst leitet den EFM seit seinen Anfängen. Claudia Palma und Tiziana Zugaro sprachen mit ihr über Zahlen, Trends und den tagtäglichen Wahnsinn.


Festivalblog: Frau Probst, der European Film Market (EFM) gehört weltweit zu den großen der Branche. Das war nicht immer so...

Beki Probst: Ja, das stimmt. Wir gehören zu den großen drei in der Welt zusammen mit dem Markt in Cannes im Mai und dem American Film Market in Santa Monica, der im November stattfindet und nicht an ein Festival angebunden ist wie wir oder Cannes. Früher war der American Filmmarkt noch kurz nach unserem, im Februar. Das war für alle Beteiligten nicht ideal. Die Einkäufer und Produzenten hatten keine Lust, so kurz hintereinander zwei Messen zu besuchen. Seit acht Jahren findet der American Market im November statt. Für Berlin war das sehr gut, das größte Geschenk, das die Amerikaner uns machen konnten – uns hat das alle Türen geöffnet. Damals waren wir noch im Debis-Gebäude, aber das wurde schnell zu klein, wir expandierten und zogen in den Martin-Gropius-Bau, 2009 kamen noch zusätzliche Ausstellungsflächen im Marriott Hotel dazu.

Festivalblog: Der EFM ist also ein Selbstläufer. Während Dieter Kosslick kämpfen muss für seinen Wettbewerb, können Sie sich zurücklehnen? Oder müssen Sie um Teilnehmer buhlen?

Probst: Weil wir das erste Branchentreffen im Jahr sind, haben wir einen sehr privilegierten Platz eingenommen. Bei uns werden außerdem nicht nur Filme angeschaut, hier werden viele künftige Projekte besprochen. Berlin ist ein Ort für die kommenden Filme geworden! Aber natürlich müssen wir uns trotzdem anstrengen, Jahr für Jahr. Die Leute erwarten, dass alles klappt, wenn sie ankommen: Die Stände sind aufgebaut, die Akkreditierungen liegen bereit, die Projektoren laufen reibungslos. Wir haben mehr als 1.000 Vorführungen in 40 Kinos. Das muss perfekt organisiert sein.

Festivalblog: Müssen sich Marktteilnehmer eigentlich bei Ihnen bewerben?

Probst: Nein, wir haben Stammkunden und kennen die meisten Firmen. Gott sei Dank kam auch noch niemand auf die Idee, Pornofilme bei uns zu zeigen. Wir sind seriös! In Cannes ist das anders, da gibt es im Untergeschoss eine entsprechende Abteilung.

Festivalblog: Haben Sie aus Platzgründen schon Aussteller ablehnen müssen?

Probst: Wir expandieren Jahr für Jahr. Der Martin-Gropius-Bau ist sehr beliebt und schnell ausgebucht. Deshalb haben wir dieses Jahr zusätzliche Räumlichkeiten im Marriott in der dritten Etage angemietet. Die Betten werden herausgeräumt, die Zimmer dienen als Büro. Es gibt auch die Möglichkeit für Aussteller, sich woanders einzumieten, aber trotzdem bei uns akkreditiert zu sein. Manche gehen ins Ritz Carlton, weil sie eine große Suite wollen, die repräsentativ ist. Warum nicht? Wer es bezahlen kann! Der American Film Market spielt sich übrigens nur im Hotel ab.

Festivalblog: Wie findet sich ein Verleiher auf dem Markt zurecht. Wie guckt er?

Probst: Wir haben einen Katalog, der früh fertig ist und für die Besucher eine große Hilfe ist. So können sie sich vorbereiten und informieren. Und ich sage Ihnen: Alle haben ihre Hausaufgaben gemacht und gucken ganz gezielt. Sonst wäre das Pensum auch nicht zu schaffen. Ich frage mich sowieso, wie sie das hinkriegen, denn es geht ja nicht nur ums Filmeschauen, sondern auch um die Treffen mit möglichen Geschäftspartnern. Ein hektisches Geschäft. Es ist verrückt!

Festivalblog: Wie lange bleiben Einkäufer im Durchschnitt in einer Vorführung? Denn Zeit, den ganzen Film zu schauen, hat ja niemand bei diesem Pensum.

Probst: Ich bin ja nicht bei allen Vorführungen dabei, weiß aber aus Erfahrungen bei anderen Filmmärkten, dass es sich sehr schnell entscheidet, ob der Film einem gefällt oder nicht, oftmals innerhalb von ein paar Minuten.

Festivalblog: Zum EFM kommen Einkäufer aus 64 Ländern. Wer kauft deutsche Filme?

Probst: Der deutsche Film ist sehr begehrt – vor allem bei Amerikanern und Franzosen. Alle hoffen auf neue großartige Filme, auf solche Kaliber wie „Lola rennt“ oder „Das Leben der anderen“.

Festivalblog: Gibt es ein bevorzugtes Genre?

Probst: Dokus sind zurzeit sehr gefragt, „Pina“ war zum Beispiel ein toller Erfolg. Aber letztlich muss der Film einfach gut sein, eine gute Geschichte erzählen, gut gemacht sein. Dann spielt das Genre keine Rolle.

Festivalblog: Gibt es beim EFM Länder, die besonders gewachsen sind?

Probst: In diesem Jahr gibt es einen Zuwachs von Filmen und Firmen insbesondere aus Osteuropa (25 %) und Asien (11 %). Das ist ein gutes Zeichen. Die Welt bewegt sich in diese Richtung, oder? Zum ersten Mal dabei sind dieses Jahr Aussteller aus Mauritius und Singapur.

Festivalblog: Asien mischt ja kräftig mit im Filmgeschäft. Glauben Sie dass dort die Zukunft liegt und Hollywood seine Macht verliert?

Probst: Hollywood wird immer Hollywood sein. Es gibt wie in jeder Branche Verschiebungen, und Asien hat ein großes Potential…

Festivalblog: Frau Probst, Sie sind doch schon so lange dabei: Gibt es endlich mehr Produzentinnen in der Branche? Sind Frauen auf dem Vormarsch?

Probst: Ja, ich glaube schon. Die Frauen sind mehr und mehr präsent. Nicht nur als Produzentin, auch als Regisseurin. Wir brauchen da keine Quote!

Festivalblog: Wie beurteilen Sie 3D-Filme? Ist aus Ihrer Sicht der Hype wieder vorbei?

Probst: Bei uns im Markt ist die Anzahl der 3D-Filme gleichgeblieben, es sind etwa 30. Als es mit 3D begann, mussten wir in die Astor-Lounge ziehen, jetzt sind mittlerweile viele Kinos auf 3D umgerüstet. Es gibt Erfolge wie „Life of Pi“ oder „Avatar“ und es gibt auch einige Flops mit 3D. Manche Leute sehen vielleicht auch nicht ein, dass sie an der Kinokasse mehr bezahlen sollen für Filme, die in 2D gut funktionieren und durch 3D nur aufgeblasen werden. In den nächsten Jahren werden wir sehen, wie sich das entwickelt. Während der Berlinale haben wir zu diesem Thema auch eine Diskussionsveranstaltung im Spiegelzelt gegenüber dem Martin-Gropius-Bau. Das wird ein spannender Austausch mit hochkarätigen Experten.

Festivalblog: Auf Ihrem EFM kann man es ja sehen, wieviele Filme im Jahr gedreht werden. Jeden Donnerstag laufen mindestens zehn Filme neu an. Gibt es nicht viel zu viele Filme?

Probst: Ja, unbedingt, das ist ein Problem. Mehr als zehn Filmstarts pro Woche – das kann nicht gut gehen. Niemand kann an einem Wochenende zehn neue Filme anschauen. Die Einspielergebnisse des Wochenendes entscheiden aber darüber, welcher Film verschwindet oder in ein kleineres Kino wandert. Die Betreiber brauchen wieder Platz für die nächsten, neuen zehn Filme am Donnerstag. So haben viele Filme keine Gelegenheit, sich über Mund zu Mund Reklame zu verbreiten, was sehr schade ist.

Festivalblog: Welche Filme mögen sie?

Probst: Ich mag Arthouse-Filme. Ich kann nichts sehen mit Blut, Gewalt und Horror. Damit möchte ich meine Augen nicht verderben.


Foto: Oliver Möst © Berlinale 2010

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