VATERLANDSVERRÄTER von Annekatrin Hendel

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Kleines Lichtchen, große Wut

„Eine saumäßige Leistung als Bericht“, sagt Paul Gratzik, „das kleine Lichtchen, das kleine Arschloch schätzt ein.“ Paul Gratzik liest einen Bericht des inoffiziellen Mitarbeiters IM Peter der Staatssicherheit – er liest einen Bericht, den er selbst geschrieben hat. Von 1962 bis 1981 war der Schriftsteller und Theaterautor IM für die Stasi und berichtete über Freunde und Kollegen. Dann enttarnte er sich 1981 selbst, wollte nicht mehr mitmachen. Es folgten Sanktionen, Zermürbungen durch den Unrechtsstaatsapparat und natürlich Veröffentlichungsverbot.

Annekartin Hendel hat den Film über Gratziks Leben gemacht, in dem Verrat fast 40 Jahre eine Rolle gespielt hat. Gratzik ist nicht gerade ein kooperativer Protagonist. Er wütet wechselweise gegen die Kapitalisten, die Stasi und auch gegen die Regisseurin: „Ich hör' diese scheiß westdeutschen Filmfragen genau raus!“. Aber Gratzik setzt sich mit seinem Leben auseinander und manchmal glaubt man, dass ihn der innere Zwiespalt zerreißt. Dann will er Dinge beiseite wischen oder behauptet, kein Gewissen zu haben. Wenn er aus seinen eigenen IM-Berichten vorliest, mag er sich über den Stil mokieren, aber er ist wirklich berührt und deswegen auch berührend. Jeder, der genau hinschaut sieht, dass hier ein Mann sitzt, der durch sein Aufbrausen viel verdecken will, der es sich aber eben nicht leicht macht.

Die große Leistung der Filmemacherin ist, dass sie hartnäckig bleibt und darüber hinaus auch Menschen zu Wort kommen lässt, über die der Schriftsteller berichtet hat. Durch die Hartnäckigkeit öffnet sich Gratzik und durch die vielen unterschiedlichen Stimmen ergibt sich ein differenziertes Bild eines Menschen, der vom Arbeiter zum Schriftsteller wurde, trotz Widerständen erfolgreich war und viele persönliche Niederlagen erlitten hat. Einfache Täter-Opfer-Zuweisungen werden so unmöglich. „Auch Verräter leiden“, sagt Gratzik.

„Seit Mitte der 80er Jahre lebt und dichtet Paul Gratzik zwischen Templin und Prenzlau glücklich in der Uckermark und erwartet knieenden Herzens sein seeliges Ende.“ So schreibt Paul Gratzik über sich selbst. Der eigentliche Vaterlandsverräter heißt übrigens Günter Wenzel. Er war Gratziks Führungsoffizier und kommt im Film auch zu Wort. Wenzel ist sich sicher, keinen Fehler gemacht zu haben. Er ist der Mann ohne Gewissen.

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Titel

Orignaltitel

Vaterlandsverräter

Credits

Regisseur

Annekatrin Hendel

Drehbuch

Produzent

Holly Tischman

Maria Wischnewski

Kamera

Jule Cramer

Can Ebalsi

Johann Feindt

Martin Langner

Schnitt

Jörg Hauschild

Musik

Louis Rastig

Land

Flagge DeutschlandDeutschland

Jahr

2011

Dauer

97 min.

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