GANDU von Kaushik Mukherjee (Q)

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Wo Licht ist, ist auch Schatten: und wo Bollywood ist, ist auch dieser Film, gewissermaßen der Antithese der bunten, keuschen, musikalisch und bildlich weichen, ausufernden Romanzen/Krimis/Dramen. GANDU (Arschloch) ist wie ein Schlag in die Fresse und es geht in ihm - kein anderes Wort passt - ums Ficken. Nein, nicht Liebe machen, nicht um ozeanische Gefühle, sanfte Berührungen und bunte Saris, sondern Schwarz/Weiß Ästethik, Zudröhnen, Porn-Sex und Rapmusik, die sich um sämtliche Körperöffnungen, sexuelle Geschlechtsmerkmale und die Dingen dreht, die man damit machen kann. Ohne notwendige Narration schlingert der Film am Ende restlos verwirrend in Drogenvisionen, Lustfantasien und Träume vom großen Ruhm. Ein Statement ist er trotzdem.

Der Film wirkt wie eine Art Triebabfuhr für all die süßlichen Geschichten und keuschen Darstellung von Beziehung in den großen Bollywoodstreifen, wo ein und Mann und eine Frau schonmal auf einer Tragfläche in 10.000 Metern Höhe tanzen, als Bild für Lust und Liebe. Wildes Küssen, geschweige denn Kopulation findet nicht statt. In GANDU denkt der junge, frustrierte Held aber an nichts anderes, wir sehen ihn Pornos gucken und Masturbieren, den Tag verdaddeln, wir erleben ihn als „angry indian boy“, der auf ein Lottolos hofft und in Musik denkt. Er trifft einen Rikschafahrer, der Bruce Lee Fan ist und für den sonst raren Humor im Film sorgt, wenn er seine Kung-Fu Übungen macht. Die beiden stehen am untersten Ende des „Schwellenlandes“ Indien - weit unter der Schwelle. Sie sind der Bodensatz, der dort noch immer unvorstellbare Armut und Elend bedeutet, Crackrauchen an Bahngleisen, Baden im dreckigen Fluss, Dope auf dem Hausdach und Pornos und No Future to talk of.

Verwirrspiel postmodern

Ob Gandu wirklich berühmt wird, bleibt unklar. Der Regisseur Q bedient sich gegen Ende des Films des guten alten postmodernen Trick und bringt einen Regisseur in den Film ein, der Q heißt und einen Film über Gandu machen will, zu dem wir dann auch Mitten im Film den Vorspann sehen. Allerdings taucht dieser Q auf, nachdem die beiden Jungs sich richtig weggeknallt haben und wie Buddha unter einem Baum erwachen mit ihrer ganz eigenen Vision vom richtigen Leben.


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Einige schöne Bilder gelingen dem Film, aber insgesamt sind es zu viele Spielereien, die man einem Debut aber vermutlich nicht vorwerfen kann. Sie betonen die Wildheit und das Rastlose und Fragmentarische mit Splitscreens, extremen Weitwinkel-Einstellungen, Farbeinsprenkel im Schwarz Weiß, surrealistische Albtraumbilder, Textbänder und Spracheinblendungen, Drogentrip-Verfremdungen. Und es gibt auch im europäischen Kino noch immer eher ungewöhnlich explizite Sexszenen. Die sind dann schrill-bunt gefilmt. Die Entjungferung Gandus durch eine chinesische Frau (offenbar die ultimative Sex-Fantasie indischer Männer) gehört zu den längsten Szenen im Film. Der Regisseur wollte wohl den Schock und das nervöse Rumrutschen der Zuschauer - zugleich im Wissen, dass sein Film (nicht nur) deswegen nie in einem Kino gezeigt werden wird.

Geschockte west-östliche Zuschauer

In der indischen Gesellschaft, die schon Berührungen in der Öffentlichkeit vermeidet, wirken blanke Brüste, erregierte Penisse Oralsex und BummBumm vermutlich trotzdem nicht anders, als in einem deutschen Kino betrachtet - Gewöhnung und Alllgegenwärtigkeit von Sex in den westlichen Gesellschaften hin oder her. Zahlreiche Zuschauer verließen den Saal jedenfalls schon nach der ersten Masturbation.

Ein Debut, ohne Zweifel: wild und wirr, laut und extrem, mit Schwächen in der Kohärenz, aber einer beachtlichen Energie. Die Musik, es sind eigentlich nur fünf Songs, ist ok, aber sicher kein Grund, den Film zu sehen. Sie dient eher, wie der Sex und die Drogenvisionen der Untermalung und Verstärkung dieses, ja erratischen Portraits eines wütenden jungen Mannes, der in sich eben so wenig Linie finden kann wie der Film selbst seine. Aber so ist die Jugend.

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Titel

Orignaltitel

Gandu

Deutscher Titel

Asshole

Credits

Regisseur

Kaushik Mukherjee

Schauspieler

Anubrata

Kamalika

Rii

Shilajit

Land

Flagge IndienIndien

Jahr

2010

Dauer

85 min.

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