BRASCH – DAS WÜNSCHEN UND DAS FÜRCHTEN von Christoph Rüter

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In den achtziger Jahren erhielt er den Bayerischen Filmpreis und wagte es, vor laufender Kamera, der Filmhochschule der DDR für seine Ausbildung zu danken – lautes Buhen aus dem Publikum war die Folge. Thomas Brasch, hüben wie drüben ein aufmüpfiger Geist, ließ sich jedoch nicht beirren, und wiederholte seinen Dank. Franz Josef Strauß, politisches Urviech par excellence, nutzte die Gelegenheit, ging ans Mikro und dankte Brasch dafür, dass er sich hier so wunderbar als lebender Beweis der „liberalitas bavariae“ präsentiert habe. Christoph Rüters Doku BRASCH – DAS WÜNSCHEN UND DAS FÜRCHTEN zeichnet ein einfühlsames Bild dieses Schriftstellers, Dichters und Theatermanns und schreckt auch nicht vor seinen weniger sympathischen Ecken und Kanten zurück.

1945 in England geboren – die Eltern waren Juden und während der Nazi-Zeit emigriert – wuchs Thomas Brasch in der DDR auf. Sein Vater Horst erklomm dort zügig die Karriereleiter und wurde schließlich stellvertretender Kulturminister. Ein schwieriges Kind sei er gewesen, sagt Brasch über sich selbst, „heute würde man sagen schwer erziehbar“. Er kam auf die NVA-Kadettenschule, genoss den Sport und das militärische Gehampel dort, wurde aber als Teenager zunehmend kritisch dem Regime gegenüber. 1968, beim Prager Frühling, forderte er mit Freunden zusammen per Flugblatt den Rückzug der Truppen des Warschauer Paktes aus Prag. Der Vater denunzierte ihn und so landete der junge Brasch für kurze Zeit im Gefängnis. Er blieb aber unbequem, 1976 reiste er nach Westberlin aus. Hier schrieb er, arbeitete am Theater und machte Karriere als Enfant Terrible. Nach einer schweren Herzerkrankung wurden ihm von den Ärzten noch zwei Monate Lebenszeit prognostiziert, er lebte aber noch drei Jahre und starb erst im November 2001.

Rüters Film zeigt Szenen, in denen der neue BRD-Bürger Brasch Nachhilfe in Sachen „Umgang mit den Medien“ von Günter Grass erhält, man sieht ihn in Fernsehtalkshows, wo er stets eloquent zu provozieren wusste, bekommt Ausschnitte aus seinen Theaterstücken und Avantguarde-Filmen gezeigt, in denen er oft seine Frau Katharina Thalbach auftreten ließ. Es entsteht das Bild eines jungen und sehr intelligenten Menschen, der sehr stark von einer inneren Unruhe angetrieben wird.

Rüter hat Brasch am Theater kennengelernt, und früh begonnen, Gespräche mit ihm zu dokumentieren. Was ihn besonders interessiert, ist am schwersten zu beantworten: Was trieb Thomas Brasch an? Direkt darauf angesprochen antwortet der, er gebe gerne Auskunft zu seinen sexuellen Praktiken, die Frage nach dem Antrieb hinter seiner schriftstellerischen Arbeit sei ihm jedoch zu intim. Klar wird jedoch, dass er seine Arbeit als ein ständiges Hinterfragen begreift. Und klar wird auch, dass es in ihm eine sehr starke Furcht gibt, die sich vielleicht nicht einmal in Worte fassen lässt, die aber über allem zu schweben scheint. Zugleich ist da auch eine Sehnsucht – nach was eigentlich?

Recht schonungslos erzählt Brasch von seiner harten Koksphase, in der er sich mit Drogen und unverbindlichen Frauengeschichten zu betäuben suchte, bis ihm klar wurde, dass er dadurch keinen Schritt weiter kommt. Eine ziemlich extreme Ausage, die im Gedächtnis bleibt: Bei Liebeskummer würden immer alle sagen, dass man versuchen sollte, den Schmerz zu betäuben. Aber wenn der Schmerz nachlässt, dann stirbt zugleich ein Teil von einem. Der Schmerz ist das, was in uns am lebendigsten ist. Mit dem Schmerz, den das Verhältnis zu seinem Vater ausmachte, hat Brasch sich ein Leben lang auseinander gesetzt, und zum Schluss ist er wohl zu einer versöhnlichen, oder zumindest verständnisvollen Position gelangt.

Sehr schön, wie Rüter den Einzug Braschs in seine Angeberwohnung am Schiffbauerdamm – direkt gegenüber vom Berliner Ensemble – begleitet. 2700 Mark hat Brasch monatlich berappt, nur um zu beweisen, dass er es sich leisten kann. Wie er durch die riesige Wohnung stapft, nur, um sich dann doch zusammengekauert ganz unten im Lichtschacht des Wohnhauses am wohlsten zu fühlen, das ist ein starkes Bild, das mehr sagt als viele Worte.

Kommentare ( 2 )

hoffentlich kommt der film wenn schon nichts ins kino bald ins fernsehen

Ja, kommt er! Aber wohl erst im November...die Filme von Thomas Brasch gibt es jetzt übrigens in einer neuen Edition.

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Titel

Orignaltitel

BRASCH

Credits

Regisseur

Christoph Rüter

Land

Flagge DeutschlandDeutschland

Jahr

2010

Dauer

100 min.

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