Berlinale Countdown 2011: Kindheit bei Bergman

Kinderloses Kindheitselend

Die Abwesenheit von Kindern in Bergmans Filmen ist auffällig. Ausnahme FANNY UND ALEXANDER (1982), in dem ein Kind die Hauptrolle spielt. Sonst tauchen Kinder lediglich am Rande auf. Die Irrelevanz ihrer Bedürfnisse für den Verlauf der Handlung bzw. für die Entscheidung der Erwachsenen ist nicht zu übersehen.
Bergmans eigene Kindheit wird zu einem Schlüssel seines Werks und Bergman hat in zahlreichen Interviews über seinen Hass und seine tragische Kindheit erzählt. In seinen Filmen taucht sie wieder auf: Bei der Frage von Fiktion und Wahrheit, die man ihm als Kind austreiben wollte und bei der Frage der Unschuld des Kindes und eines Gefühls von Freiheit, die vom Erwachsenen durch Schuldgefühle zerstört wird. Für Peter-Pan-haftes oder Kindheitskomödien ist Bergman jedenfalls nicht bekannt geworden.

Dieser Umgang mit Kindern sowie die oft unerträglichen Vater-Sohn Beziehungen führten bei vielen Bergman Filmen zur psychoanalytischen Deutungen. So, wenn wie in WILDE ERDBEEREN (1957), ein Kind im Traum seinen Eltern begegnet, die sein Rufen aber nicht hören; oder wenn die Abwesenheit des Vaters in den Lebenserinnerungen einer Hauptfigur sehr auffällig ist.
In einigen Filmen werden Kindheitstraumata zum Kindheitstraum, um die Wirklichkeit zu korrigieren und oft genug findet sich in Motiven eine geradlinige, künstlerische Verarbeitung des eigenen, nie erlaubten, kindlichen Zorns und Schmerzes seiner Angst und Wut auf den Vater.
In den älteren Filmen aus den 40er und 50er Jahren haben junge Männer kindliche Züge, suchen in Frauen das Mütterliche und werden von ihnen auch als Unerwachsene behandelt. Kind bleiben, um das früher Unerfüllte doch noch zu bekommen. Nach eigenen Angaben verarbeitete Bergmann in der Trilogie WIE IN EINEM SPIEGEL (1961) LICHT IM WINTER (1963) und DAS SCHWEIGEN (1963) die Albträume seine Kindheit, die furchteinflössende, gewalttätige Figur seines Vaters und dessen Gott (der Vater war Pfarrer).

Im wahren Leben hat Bergman es anders gemacht als sein Vater: Er hat fünfmal geheiratet und zahlreiche andere Beziehungen geführt. Aus diesem Mix gingen viele Kinder hervor, ein wahrer Clan an Bergmans. Dass er durch die zahlreichen Trennungen und Beziehungen und seine protestantische Arbeitsethik kindliche Bedürfnisse auch nicht gerade beachtete, sondern wie sein eigener Vater vor allem sein Schaffen und Wollen ins Zentrum setzte, werden Filmfreunde ihm danken, bei den Kindern weiß man das nicht. Aber was soll man tun? Wir sind das Echo unserer Eltern.

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