Tuan Yuan von Wang Quan’an

Wie erzählt man von einer Liebe, die 50 Jahre Trennung überdauert hat und dann doch nicht gelebt werden darf? Eigentlich ist die Situation, die der chinesische Regisseur Wang Quan’an in Tuan Yuan schildert, eine furchtbare Tragödie. Eine Frau will sich zugunsten ihrer großen Liebe von ihrem Mann und ihrer Familie trennen. Und schafft es dann doch nicht. Soweit, so vertraut. Doch Wang Quan’an erzählt die Geschichte nicht in der erwartbaren Tonlage. Er macht kein großes Drama aus dieser höchst dramatischen Situation. Stattdessen wirft er einen fast grausam nüchternen, sezierenden Blick auf die Figuren. Er zeigt über kleine Gesten und Blicke die Hilflosigkeit seiner Figuren, er deutet dezent an, wo die Personen dem Bild, das sie von sich selbst haben und das sie für gewöhnlich nach außen zeigen, widersprechen, und er enthält sich, bis auf ganz wenige Ausnahmen, jeglicher Parteinahme.

Wie unkonventionell ein solcher Blick auf eine derart brutale Geschichte ist, fällt zunächst gar nicht auf. Anfangs ist man zu sehr damit beschäftigt, wie untypisch die Frau und die beiden Männer in der Geschichte mit der Situation umgehen. Statt zu zetern und zu heulen, statt zu drohen oder sich kühl abzuwenden, scheinen alle drei möglichst bestrebt, den jeweils anderen nicht weh zu tun. Es wird das Gesicht gewahrt, bis es einem wehtut, dabei zuzuschauen. Es wird gelacht, obwohl allen zum Heulen zumute ist. Es wird zwar auch geweint, aber weitaus seltener als erwartbar wäre. Es wird gesungen, getrunken und vor allem viel gegessen, weil diese Rituale des Sich-Wohl-Fühlens das einzige sind, was irgendwie Halt zu geben verspricht. Es wird eine Höflichkeit an den Tag gelegt, die – wenn nicht schon generell, dann in dieser Situation – völlig verwirrend ist. Die Grausamkeit, die sich hinter dem höflichen, rücksichtsvollen und freundlichen Miteinander aller Beteiligten verbirgt, entfaltet erst allmählich ihren Schrecken.

Mehr als 50 Jahre lang waren Qiao Yu’e und Liu Yansheng voneinander getrennt. Der Bürgerkrieg und die darauf folgende politische Eiszeit zwischen China und Taiwan haben die Liebenden auseinander gerissen. Während der ganzen Zeit durften sie sich nicht sehen und nicht miteinander sprechen. Es gab keine Briefe, kein Lebenszeichen, nichts. In der Zwischenzeit haben sie weiter gelebt, Yu’e hat in Shanghai mit Hilfe eines Unteroffiziers der kommunistischen Truppen irgendwie die Kulturrevolution überlebt, sie hat eine neue Familie gegründet, es gibt Enkel. Auch Liu Yansheng hat in Taiwan geheiratet; inzwischen ist er Witwer. Als sich das politische Klima dreht, darf Liu Yansheng, ehemals Soldat der nationalistischen Volkspartei Kuomintang, für einen Besuch nach Shanghai zurückkehren.

Wang Quan’an packt eine Menge Zutaten in diese Geschichte: Neben der eigentlichen Liebesgeschichte wird der Wandel der chinesischen Gesellschaft zwischen Bürgerkrieg, Kommunismus, Kulturrevolution und Turbokapitalimus thematisiert. Yu’es Familie zieht im Laufe des Films von einem der wenigen übrig gebliebenen Altstadtviertel Shanghais in eine gesichtslose, anonyme Betonhölle. Der Schwiegersohn denkt nur in der Kategorie Geld. Die Generation der Kinder ist insgesamt extrem egoistisch, Yu’e und Liu Yanshengs gemeinsamer Sohn scheint vor allem apathisch, allein die Enkelin interessiert sich wirklich dafür, wie sich ihre Großeltern und der „Onkel“ aus Taiwan in dieser dramatischen Situation fühlen.

Vielleicht hat man auch wegen dieser Fülle von Nebenschauplätzen das Gefühl, dass dieser Film irgendwie haarscharf am Thema vorbei gedreht ist. Wang Quan’an hat zwar ein sehr gutes Gespür für die Absurditäten, die in der Geschichte stecken. Dennoch wird hier zuviel behauptet und zu wenig erfahrbar gemacht. Tuyas Hochzeit, für den der Regisseur 2007 den Goldenen Bären bekam, stellte ebenfalls eine Frau zwischen zwei Männern in einer eigentlich unerträglichen Lebenslage in den Mittelpunkt. In dem früheren Film vermittelte sich jedoch die Situation der Hauptfigur sinnlich – auch über die wenigen Dialoge, aber vor allem über die Bilder. In Tuan Yuan fehlt diese innere Haltung des Films. Es scheint, als habe sich die Rücksichtnahme und das Bestreben, nicht weh zu tun, von den Figuren schleichend auf den Film übertragen.

Kommentare ( 2 )

Das nenne ich schnell und umfassend!

Gute Zusammenfassung, allerdings stimme ich der Kritik nicht zu. "Dennoch wird hier zuviel behauptet und zu wenig erfahrbar gemacht." Die Hilflosigkeit und die darunterliegenden Gefühle der drei Hauptpersonen vermittelten sich. Auch in der Bildsprache fand ich, die endlosen Bilder Shanghais im Dunst - Smog? -, die Sehnsucht der alten Frau nach einem anderen Leben kam sowohl in den Dialogen als auch in den Bildern rüber.

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Titel

Orignaltitel

Tuan Yuan

Englischer Titel

Apart Together

Credits

Regisseur

Wang Quan'an

Schauspieler

Xu Caigen

Ling Feng

Lisa Lu

Monica Mo

Ma Xiaoqing

Land

Flagge ChinaChina

Jahr

2009

Dauer

93 min.

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