Sona, mo hitori no watashi (Sona, the other myself) von Yang Yong-hi

Nach Dear Pyongyang ist auch der neue Film von Yang Yong-hi dem Wunsch geschuldet, die eigene Biographie besser zu verstehen und die sichtbaren und unsichtbaren Grenzen auszuloten, die quer durch ihre Familie laufen. Die in Japan lebende koreanische Regisseurin war als Kind von ihren regimetreuen Eltern streng nach nordkoreanischen Grundsätzen erzogen worden. Sie musste früh damit zurechtkommen, dass der Vater die drei Brüder nach Nordkorea schickte, weil er sich dort eine bessere Zukunft für sie erhoffte, während sie mit den Eltern in Japan zurückblieb und aufwuchs.

Im Unterschied zu Dear Pyongyang, in dem vor allem die Auseinandersetzung mit dem Vater im Mittelpunkt stand, konzentriert sich Yang Yong-hi in ihrem neuen Film nun ganz auf ihre Nichte Sona, deren Aufwachsen in Nord-Korea vom Kleinkind bis zum Teenager von ihr dokumentiert wird. Wie bereits der Titel verrät, identifiziert sich die Regisseurin mit ihrer Nichte und sieht viele Parallelen zu ihrem eigenen Schicksal. Dabei interessiert sie sich besonders für die Frage, wie sich das Heranwachsen in einer um vollkommene Widerspruchsfreiheit bemühten totalitären Gesellschaftsform auf die Entwicklung des Kindes auswirkt. Der Film basiert auf älterem Filmmaterial, das bei den zahlreichen Familienbesuchen der Regisseurin in Nordkorea und bei den Eltern in Japan entstanden war. Da ihr nach ihrem ersten Film ein Einreiseverbot für Nordkorea erteilt worden war, wurden die alten Videos und Fotos um so wertvoller.

Durch die vielen leicht verwackelten Aufnahmen von Familienfesten, gemeinsamen Abendessen und Ausflügen erinnert das Ganze häufig an einen Homevideoabend und wie bei solchen Abenden üblich, muss der Zuschauer einiges an Geduld mitbringen. Diese Geduld lohnt sich aber, denn der Film bietet unerwartete Einblicke in das Alltagsleben von Menschen in einem der meist abgeschotteten Länder der Welt und er zeigt gleichzeitig, wie die politischen Verhältnisse bis in den letzten Winkel der zwischenmenschlichen Beziehungen hineinwirken. Die Tante aus Japan bleibt trotz aller inneren Verbundenheit mit der Familie in Nord-Korea immer auch ein Fremdkörper bei ihren Besuchen. Schon allein die stets einsatzbereite Videokamera schafft Distanz und sorgt dafür, dass die Gefilmten auch in der vermeintlichen Privatheit der eigenen vier Wände immer ein bisschen wachsam bleiben. Durch die ständige filmische Begleitung des Familienlebens werden aber auch sehr intime Momente festgehalten, wie z.B. der wortlose Spaziergang des Vaters mit seinem ältesten Sohn durch eine trostlose Hochhaussiedlung. Auch wenn der Vater zu Hause in Japan immer wieder betont hatte, wie sehr er seine Söhne vermisst und unter der räumlichen Distanz leidet, nun von Angesicht zu Angesicht herrscht Sprachlosigkeit zwischen den beiden.

Hier liegt die besondere Faszination des Films, der offen für verschiedene Lesarten ist. Yang Yong-hi öffnet viele verschiedene Türen gerade so weit, dass jeder Zuschauer kurz hineinschauen kann, um dann selber zu entscheiden, welchen Raum er betreten möchte. Wer will kann den Film hauptsächlich als Statement über die gegenwärtigen sozialen Zustände in Nordkorea auffassen, genauso gut kann man aber auch den Focus der Betrachtung auf die Familiengeschichte legen, auf die vielen Verluste, die ständigen Trennung und auf die Frage, wie das Aufwachsen in gänzlich unterschiedlichen Lebensumständen den Einzelnen beeinflusst.

Kommentare ( 1 )

Das klingt interessant. Zumal dein Fazit erhoffen lässt, etwas Einblick in eine andere Welt zu bekommen, wie man sie sonst nie sehen könnte - zum Beispiel wenn man als Tourist das Land bereist. Schade dass du jetzt schon warst. Sonst hätte ich dich gern ins Kino mitgenommen.

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Titel

Orignaltitel

Sona, mo hitori no watashi

Englischer Titel

Sona, the Other Myself

Credits

Regisseur

Yang Yonghi

Land

Flagge JapanJapan

Flagge Republik KoreaRepublik Korea

Jahr

2010

Dauer

82 min.

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